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Artgerechter Wohnungsbau für Bienen

Biene auf einer Blüte
Viele Honigbienen leiden unter Krankheiten und Parasiten. | Bild: pictuare alliance / dpa

Zuerst die gute Nachricht: Es gibt wieder mehr Bienenvölker in Deutschland und auch mehr Imker. Trotzdem sterben viele Bienen. Sie leiden unter Krankheiten und Parasiten wie der todbringenden Varroamilbe. Experten sagen: Das Problem liegt vor allem in der Art und Weise, wie wir mit Bienen umgehen und wie wir sie halten. Sie fordern ein Umdenken – hin zu einer artgerechten Bienenhaltung, die nicht die Honiggewinnung, sondern das Wohlergehen der Tiere im Fokus hat.

Natürlichen Lebensbedingungen für Honigbienen

Moses Martin Mrohs und Antonio Gurliaccio bezeichnen sich selbst als "Bienenbotschafter". Ihre Mission: Sie wollen Honigbienen ein natürliches Zuhause zurückgeben – mitten im Wald. Denn, was kaum einer weiß, Honigbienen sind ursprünglich Waldbewohner, die am liebsten in Baumhöhlen wohnen. Doch natürliche Nisthöhlen können sie in unseren vorwiegend wirtschaftlich genutzten Wäldern kaum noch finden.

Im Jahr 2012 begann Antonio Gurliaccio mit der Imkerei. Aber schon bald war er unzufrieden mit der herkömmlichen Art der Bienenhaltung. Er informierte sich und hörte von der Zeidlerei, einem Handwerk aus dem Mittelalter. Damals wurden Baumstämme ausgehöhlt und als Bienenstöcke genutzt: sogenannte Klotzbeuten. Er lernte, sie selbst zu bauen und konnte schnell beobachten, dass es den Tieren darin viel besser geht als in den üblichen, übereinander gestapelten Magazinbeuten, wie sie seit rund 150 Jahren benutzt werden.

Bienenhaus-Forschung: Klotzbeute gegen Magazinbeute

Vier Männer stehen vor einem aufrecht stehenden Baumstamm
Artgerechtes Wohnen für Honigbienen: Die Klotzbeute | Bild: HR

Im Botanischen Garten Frankfurt haben die Bienenbotschafter Klotzbeuten installiert, die mit empfindlichen Messgeräten ausgestattet sind. Biologe Torben Schiffer untersucht mit den Messungen die Lebensbedingungen der Bienen in den verschiedenen Beutearten. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die runden Klotzbeuten wie ein Energiesparhaus funktionieren: Die Bienen leben in einem gleichbleibend angenehmen Klima.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich in den eckigen Kästen der Magazinbeuten: Dort schwanken die Temperaturen stark und in den Ecken sammelt sich Feuchtigkeit. Torben Schiffer hat ausgerechnet, dass ein Bienenvolk in der Magazinbeute etwa sieben Millionen Stunden zusätzlich arbeiten muss, nur um die Kernwärme zu erhalten. Diese Zeit fehlt für natürliche Verhaltensweisen: Nektar tragen, Honig fermentieren, sich gegenseitig putzen oder sich auch einfach Mal zu entspannen. Das setzt den Bienen zu.

Stress im Bienenstock

Nicht nur die Form, sondern auch die Größe der Magazinbeuten ist ein Problem. Sie haben rund das vierfache Volumen einer natürlichen Bienen-Behausung – oft sogar noch mehr. Bienenforscher Torben Schiffer kritisiert, dass die Imker durch zu große Honigräume in den Beuten, den Instinkt der Bienen nach Vorratssicherheit ausnutzen – auf Kosten ihrer Gesundheit. Die Tiere würden viel mehr sammeln, als ihnen gut tut. Das schwächt sie und macht sie anfällig für Krankheiten und Parasiten. Viele Imker verlieren über den Winter mehr als 30 Prozent ihrer Bienenvölker.

Abwehr von gefährlichen Parasiten

Eine Varoa-Milbe vergrößert unter einem Mikoskop
Gefährlicher Parasit: die Varoa-Milbe | Bild: HR

Bei den Kontrollen ihrer Klotzbeuten finden auch Moses Martin Mrohs und Antonio Gurliaccio immer mal wieder gefährliche Varroa-Milben. Die Parasiten, eingeschleppt aus Asien, sind die häufigste Ursache für das Honigbienensterben. Ihre Untersuchungen zeigen aber eindeutig, dass sich Bienen gegen die Varroamilbe wehren können. Unter dem Mikroskop ist zu erkennen, dass sie die Milben durch Bisse töten können. Aber dafür brauchen sie Zeit. In herkömmlichen Magazinbeuten haben sie diese nicht. Denn dort ist die wichtigste Aufgabe der Bienen: mehr Vorrat anzulegen und nicht die Varroa-Milbe zu bekämpfen.

Hilfreicher Mitbewohner: Bücherskorpione

In den Klotzbeuten kommt den Bienen außerdem ein kleiner Skorpion zur Hilfe: Der Bücherskorpion. Torben Schiffer hat ihn sozusagen wiederentdeckt. Die "Miniskorpione" leben seit Urzeiten mit den Bienen in Symbiose. Sie fressen, was für Bienen schädlich ist. Doch dieses Miniökosystem wurde durch die moderne Imkerei komplett verdrängt. Der Biologe plädiert deshalb dafür, die kleinen Bücherskorpione wieder in der Imkerei anzusiedeln.

Klotzbeuten für Hobby-Imker 

Antonio Gurliaccio hat ein Modell der Klotzbeute gebaut, das sich zum Beispiel für Hobbyimker gut eignet. Die naturnahe Bienenbehausung ist 1,90 m hoch, außen sechseckig, innen rund und besteht aus mehreren Etagen. Im unteren Teil ist Platz für die Mikrofauna inklusive Bücherskorpione. In der Mitte legen die Bienen die Brutwaben und ihr Honigdepot an. In den Korpus eingelassen ist ein rundes Einflugloch für die Bienen: Eine verschließbare Öffnung, durch die der Imker sein Bienenvolk kontrollieren kann – und eine Varoaschublade.

Oben kann der Imker für die eigene Honigernte einen zusätzlichen Honigraum aufsetzen. Der hat aber keine vorgefertigten Rahmen, sondern Trägerleisten, an denen die Bienen frei bauen können. Den Abschluss bildet ein Klima-Deckel, der mit totem Holz und Holzspänen gefüllt ist. Maximal acht Kilogramm Honig können pro Jahr geerntet werden – dafür ist die Bienenhaltung artgerecht. Jetzt wollen sie mit ihrem "natural habeetat *hive", wie sie ihre Erfindung nennen, in Serie gehen.

  Autorin: Dorothee Kaden (HR)

Stand: 10.07.2020 21:24 Uhr

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