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Belebtes Wasser

Wasser hat ungewöhnliche Eigenschaften: So ist es beispielsweise im festen Zustand leichter als im flüssigen – Eis schwimmt. Seine größte Dichte hat Wasser bei plus vier Grad Celsius.

regen offenbar auch zu ausgefallenen Theorien an. Eine davon: Wasser habe ein Gedächtnis und sei in der Lage, Informationen aufzunehmen und zu speichern. An diesen Gedanken knüpft auch die so genannte "Wasserbelebung" an.

Viel Wirbel um die Struktur des Wassers

Die Anhänger der Wasserbelebung gehen davon aus, dass Quellwasser eine andere Struktur hat als Leitungswasser. Auf dem Weg zum Verbraucher werde das Wasser durch die Leitungen gequetscht und strukturell verändert. Diese Veränderungen seien aber durch "Belebung" umkehrbar. Dazu sind verschiedene Apparaturen von unterschiedlichen Anbietern auf dem Markt. Es gibt z.B. Grander-, Elisa- oder auch so genanntes levitiertes Wasser.

Das "levitierte Wasser" entsteht in einem besonders geformten Edelstahlbehälter. Im unteren Bereich des Behälters befindet sich ein Saugrotor, der laut Hersteller das Leitungswasser beschleunigt und in genau definierte, spiralförmig verlaufende Strömungsbahnen lenkt. Bei diesem Prozess entstehen Unterdruckzonen, die zu Mikrowirbeln führen. Diese Wirbel lagern sich angeblich in den Molekularbereich des Leitungswassers ein und lockern so dessen Struktur auf.

Mit Verwirbelung arbeiten auch die Elisa-Systeme, bei denen zudem Edel- und Halbedelsteine zum Einsatz kommen. Diese ließen das Wasser "nachreifen" und übertrügen natürliche Heilschwingungen, so der Hersteller.

Der Tiroler Johann Grander bietet Wasser an, das an einem mit so genanntem "Informationswasser" gefüllten Behälter vorbeifließt. Dadurch soll es in seiner "Struktur" verändert werden und besondere, nicht näher beschriebene Eigenschaften erhalten.

Wasser belebt – koste es, was es wolle

Das belebte Wasser soll sich angeblich positiv auf Menschen, Pflanzen und Tiere auswirken. Mit eindeutigen Werbeversprechen halten sich die Anbieter jedoch zurück. Wasser gilt in Deutschland als Lebensmittel und darf nach dem Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (LFGB) nicht mit unbelegten gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden.

Stattdessen setzt man auf Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Kunden. Die beschreiben etwa das levitierte Wasser als besonders bekömmlich, wohltuend und schmackhaft. Alles sehr subjektive Eindrücke, die sich nicht wissenschaftlich be- oder widerlegen lassen. Dabei bezahlt der Kunde für das levitierte Wasser rund 60 Cent für den Liter. Aber es geht noch teuerer: Grander-Wasser kostet sogar 12,10 Euro pro Liter.

Doch nicht nur Privatkunden verwenden das behandelte Wasser, auch einige Industrie- und Handwerksbetriebe. Eine norddeutsche Bäckerei-Kette etwa nutzt das Elisa-Belebungssystem, das sie in ihren Filialen für jeweils 2.500 Euro einbauen ließ. Laut Bäckerei verkalkten die Rohre seit dem Einbau nicht mehr so stark, außerdem gehe der Brotteig auch besser.

Theorie hält Wissenschaft nicht stand

Wenn ein solcher Effekt beobachtet wird, liegt das aber nicht unbedingt an "Strukturveränderungen". Im Wasser befinden sich immer auch gelöste Stoffe, die ebenfalls eine Wirkung haben. Welche Stoffe in welcher Konzentration vorliegen, kann variieren – abhängig von der Herkunft des Wassers oder auch der Jahreszeit. All diese Parameter müssten konstant gehalten werden, wenn man herausfinden möchte, ob die Kundenaussagen zutreffen und "belebtes" Wasser tatsächlich anders wirkt als normales Leitungswasser.

Nach den heutigen Erkenntnissen der Wissenschaft scheint es zudem nicht möglich, die Struktur von flüssigem Wasser dauerhaft zu ändern. Der Grund: Wassermoleküle bestehen aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen. Die Moleküle selbst sind untereinander durch Wasserstoffbrücken zu so genannten Clustern vernetzt. Da die Wasserstoffbrücken immer nur für den Bruchteil einer Sekunde halten und dann neue Verbindungen eingehen, verändern sich die Clusterstrukturen ständig. Diese dynamische Instabilität verhindert eine gezielte, dauerhafte Veränderung der Wasserstruktur. Eine dauerhafte Veränderung würde die Zuführung einer großen Menge an Energie voraus setzen. Von uns befragte Wissenschaftler bezweifeln allerdings, dass die "Belebungs"-Verfahren solche Mengen liefern können.

Versuch mit belebtem Wasser

Auch wenn die Wissenschaft den versprochenen Nutzen der Wasserbelebung praktisch ausschließt, haben wir trotzdem ein kleines Experiment unternommen – eines, das nicht wir uns ausgedacht haben, sondern das von den Anbietern "belebten" Wassers angeregt wurde:

Belebtes Wasser soll sich positiv auf Pflanzenwuchs auswirken. Deshalb haben wir Kresse ausgesät, und zwar in vier verschiedenen Schalen. Die eine gossen wir mit normalem Leitungswasser, die nächste mit levitiertem Wasser, die dritte mit Elisa- und die vierte mit Grander-Wasser. Das Ergebnis: Nach einer Woche war die Kresse in allen Schalen etwa gleich hoch. Auffälligkeiten konnten wir nicht beobachten.

Stand: 13.10.2014 13:51 Uhr

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