So., 05.10.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Big Brother der Insekten
Die Welt von Professor Urs Wyss ist ein Mikrokosmos voll ungewöhnlicher Gestalten. Da gibt es Aliens mit bizarren Sexpraktiken und gefährliche und gefräßige Raubtiere, die auch vor Kannibalismus nicht zurückschrecken.
Der gebürtige Schweizer ist ein leidenschaftlicher Bilderjäger und ein Meister des Insektenfilms. Mit seiner auf den ersten Blick einfach anmutenden Apparatur im Keller der Uni Kiel erblickt er intimste Aspekte des Insektenlebens.
Eigentlich ist Wyss seit 2004 pensioniert. Doch seitdem dreht der heute 69-Jährige erst richtig auf: Im Ruhestand hat er seine wirkliche Berufung gefunden. Er will den Menschen zeigen wie faszinierend, aber auch wie nützlich Insekten sind.
Jungfernzeugung bei Blattläusen
Und so gelingen ihm unglaubliche Bilder, wie die von der Geburt einer Blattlaus. Wenn es viel zu fressen gibt, vermehren sich diese Tiere per Jungfernzeugung ohne Eier zu legen. Wyss klärt mit seinen Filmen auch alltägliche Fragen. Zum Beispiel: Warum wird mein Auto klebrig, wenn ich unter einer Linde parke.
Die Antwort: Blattläuse saugen Zuckersaft aus den Blättern und filtern das darin enthaltene Eiweiß heraus. Aber wohin mit dem überschüssigen Saft?
Die Tiere schießen den Saft in weitem Bogen weg. Dafür haben sie aufwendige Schussapparaturen entwickelt. Einfach ausscheiden wäre nämlich zu gefährlich. Der Saft ist so klebrig, dass die Tiere daran hängen bleiben und sterben können.
Biologische Schädlingsbekämpfung
Urs Wyss interessiert vor allem die biologische Schädlingsbekämpfung – wie man Insekten benutzt um schädliche Insekten zu bekämpfen. In diesem Gebiet kooperiert er mit Firmen und dem Botanischen Garten der Universität Kiel. Die Gärtner wollen keine Gifte verwenden, da sie ihren Garten sonst regelmäßig fürs Publikum sperren müssten. Seit sie Insekten zur Schädlingsbekämpfung einsetzen, ist ihr Garten fast schädlingsfrei. Die Helden der biologischen Schädlingsbekämpfung sind unter anderem Schwebfliegen. Ihre Larven wandern wie Staubsauger übers Blatt, fangen und fressen an Blattläusen, was vor ihnen liegt.
Andere Nützlinge haben andere Strategien: Raubmilben jagen in der Gruppe wie Wölfe und saugen ihre Beute, zum Beispiel Thripse, anschließend aus. Bei der Gallmücke Aphidoletes sind die Schädlingsvernichter ihre kleinen Larven. Sie vergiften eine Blattlaus indem sie sie in den Fuss stechen. Das Gift lähmt das Insekt und die Larve saugt nun ihr Opfer über die nächsten Tage aus.
Autor: Thomas Willke
Adressen & Links
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Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr