So., 08.06.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Dammbau am Mittelmeer
Es ist ein gigantisches Bauwerk: Ein Damm, 27 Kilometer lang und an seiner Basis 600 Meter breit. Eine Milliarde Kubikmeter Stein sind dafür notwendig.
Noch existiert er allerdings nur als Idee.
Um das Mittelmeer vor den drohenden Folgen des Klimawandels zu bewahren.
Der österreichische Architekt Michael Prachensky träumt von einem riesigen Damm, der Mittelmeer und Atlantik voneinander trennt. Den möchte er zwischen Marokko und der spanischen Stadt Tarifa bauen. Und zwar dort, wo das Meer zwischen Europa und Afrika nicht mehr ganz so tief ist, wie an der schmalsten Stellen, der Straße von Gibraltar. Wie viele andere Wissenschaftler auch, denkt Prachensky darüber nach, wie die Mittelmeerländer und ihre Bewohner vor den Auswirkungen des sich verändernden Klimas geschützt werden können.
Küstenregionen versalzen.
In den letzten hundert Jahren sind die Meeresspiegel in Spanien bereits um zwanzig Zentimeter angestiegen. Nach neuen Studien verlieren die Küsten des Landes bis 2050 rund 15 Meter Strand. Die Folgen werden nicht nur die Touristen zu spüren bekommen. Wenn das Meer ansteigt, drückt es Salzwasser über die Flüsse ins Landesinnere, in den flachen Regionen versalzen die Brunnen. Der intensive Obst- und Gemüseanbau in den Küstenregionen des Mittelmeers wäre massiv gefährdet.
Der alte Traum von "Atlantropa"
Dieses Szenario will Michael Prachensky mit seinem Damm verhindern. Die Idee für eine Sperre zwischen Atlantik und Mittelmeer gab es schon einmal. Anfang des 20. Jahrhundert entwarf der Münchner Architekt Herman Sörgel "Atlantropa" – einen mehr als 30 Kilometer langen Staudamm in der Straße von Gibraltar. Sörgel wollte mit dem Damm das Mittelmeer um 20 Meter absenken und damit Land gewinnen. Eine neue Fläche, so groß wie Frankreich und Belgien zusammen, wäre entstanden. Turbinen im Inneren des Damms sollten Europa mit Energie versorgen. Sörgels "Atlantropa" wurde nie gebaut, doch die Idee fasziniert Wissenschaftler bis heute.
Lebensadern des Mittelmeers
Michael Prachensky ist überzeugt davon, dass sein Damm technisch möglich wäre. Schon heute gibt es vergleichbare Projekte, wie den chinesische Yangtse-Staudamm, der eine Wassersäule von bis zu 180 Metern aushalten soll. Im Mittelmeer wären es höchstens sieben. Eine weitaus größere Herausforderung für das Projekt wäre es, den Zufluss zum Mittelmeer nicht völlig dicht zu machen. Denn an der Oberfläche strömt ständig frisches Wasser vom Atlantik ins Mittelmeer, das Sauerstoff und Plankton mitbringt. Am Meeresgrund transportiert eine gegenläufige Strömung salzreicheres Wasser aus dem Mittelmeer hinaus.
Weniger Tiefenwasser an der Oberfläche
Wären diese Strömungen nicht mehr möglich, befürchten Kritiker, würde das Mittelmeer zunehmend salziger. Immer mehr Wasser würde aus dem Meer verdunsten, kein neues nachströmen und das Salz sich langsam konzentrieren. Andere Wissenschaftler befürchten Auswirkungen auf die empfindliche Tierwelt der Region.
Viele Arten, wie etwa Larven oder Quallen, die sich nur mit der Strömung fortbewegen, stießen auf ein unüberwindbares Hindernis. Wale und Delphine könnten sich nicht mehr frei bewegen. Der Walforscher Renaud de Stephansis aus Tarife befürchtet, dass durch die veränderte Strömung weniger Tiefenwasser nach oben gewirbelt wird, das viel Nahrung für die Fische enthält.
Röhren für Wale und Delphine
Michael Prachensky weiß, dass seine Idee vor allem eine große ökologische Herausforderung ist. Für einige hat er sich – theoretisch - Lösungen überlegt: Öffnungen im Damm sollen den Wasseraustausch zwischen Mittelmeer und Atlantik ermöglichen. Dort könnten sogar Turbinen zur Stromerzeugung eingebaut sein, glaubt der Architekt. Riesige Betonröhren mit einem Durchmesser von bis zu zwanzig Metern sollen Walen und Delfinen als Durchlass dienen. Ob und in welchem Umfang ein Damm zwischen Europa und Afrika die Umwelt schädigen würde, ist noch nicht abzusehen. Prachensky möchte eine Machbarkeitsstudie, die die möglichen Auswirkungen untersucht. Und hofft, bei den Staaten der neu gegründeten Mittelmeerunion Unterstützung für sein Projekt zu finden.
Autorinnen: Jutta Henkel und Dorothee Stromberg
Stand: 20.02.2013 16:38 Uhr