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Filmreif absaufen

Die letzte Position des Viermasters "Pamir": 35,53 Grad nördliche Breite, 14,32 Grad östliche Länge. Das Segelschiff sank exakt dort, wo auch schon die "Wilhelm Gustloff" und die "Titanic" untergingen. Nämlich im Becken der Mediterranen Filmstudios auf Malta.

Auch Asterix und Obelix haben hier schon Piraten gejagt, und U-Boot U 571 versenkte in diesen Gewässern feindliche Schiffe. Die maltesischen Studios sind spezialisiert auf Schiffsuntergänge, große Spielfilmproduktionen mit Seeschlachten, Unterwasserkämpfen, Tauchszenen oder künstlichen Stürmen.

Ein Sturm im flachen Tank

Das Geheimnis sind zwei große Wassertanks, die direkt am Meer liegen. Über ihre flachen Beckenkanten schwappt beständig Wasser in das Meer, das im Hintergrund liegt. Aus der richtigen Kameraperspektive wähnt sich der Zuschauer so auf offener See. Man muss schon sehr genau hinsehen, um den Beckenrand im Hintergrund zu erkennen. Bei Wind und Wellen verspielt er sich völlig.

Darüber hinaus verfügen die Studios über eine gigantische Maschinerie, die auf dem 130 mal 100 Meter großen, so genannten "Shallowtank" wahre Orkane entfesselt. Auch deswegen wählte Filmarchitekt Uwe Stanik die Studios für die Produktion "Untergang der Pamir": "Wo es besonders spannend wird, sind natürlich Sturmgeschichten. Also alles, wo wir großes, bewegtes Wasser brauchen, wo wir Windmaschinen brauchen. Im Hintergrund haben wir zwei große Flugzeugpropeller stehen, die also auch wirklich gut Wind machen. Bis zu achtzig Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit."

Bewegte Wassermassen

Hinzu kommen die Wellenmaschinen: hohe Gerüste, die auf dem Boden des zwei Meter tiefen Beckens stehen. Große Gewichte werden über Stahlseile rhythmisch auf und ab bewegt und erzeugen so bis zu eineinhalb Meter hohe Wogen. Für ordentliche Gischt-Duschen sorgen Wasserkanonen.

Die wahren Könige am nassen Set sind die so genannten "Dip Tanks", große Wasserrutschen. Rund acht Meter hoch ragen sie aus dem Becken. Über der Rutschbahn sind Gefäße angebracht, die entfernt an Bauschuttcontainer erinnern. In jedem dieser schwenkbaren Behälter wartet eine Tonne Meerwasser darauf, sich über die Schauspieler zu ergießen. Kein anderes Gerät kann innerhalb kürzester Zeit solche Wassermassen entfesseln.

Schauspieler Florian Kahrmann, der im Film "Untergang der Pamir" mitspielt, ist von den großen Wasserrutschen überwältigt: "Das ist einfach so realistisch. Und es ist nicht ohne. Weil diese Wassermassen, die einem da um die Ohren fliegen, die fegen einen schon sehr leicht von den Füßen. Und teilweise sind da auch so kleine Metallteilchen, die mit hoch gesogen werden. Und die gehen dann mit durch die Wasserkanone. Aber es macht einen Riesenspaß. Das sieht so realistisch und super aus. Das ist schon Klasse."

Achtzig Tonnen Stahl und neunzig Grad Schlagseite

Das Modell des Mitteldecks der Pamir ist 42 Meter lang und elf Meter breit. Ein Koloss aus Stahlstreben, Schwimmkörpern, Decksplanken und Aufbauten. In dieser Größe ein Novum, auch für die erfahrenen Techniker der Filmstudios. Ein Objekt von solchen Ausmaßen, das auch noch während der Dreharbeiten in immer dramatischere Schräglage gebracht werden muss, hat es im Becken noch nicht gegeben. Erst kurz vor Drehbeginn steht fest, dass das große Modell die Wind- und Wellenmaschinen überstehen wird.

Schwindelnde Höhe – nichts als Schwindel!

Für die Szenen hoch oben in den Masten haben die Bühnentechniker am Rande des Beckens ein separates Mastmodell aufgebaut. Von schräg unten gefilmt sieht die Szenerie gefährlich aus. Doch das Ganze ist in Wirklichkeit so niedrig, dass die Schauspieler keine Angst haben müssen. Nur knapp zwei Meter über dem Boden kämpfen die Filmmatrosen gegen den Sturm der Windmaschine und die Gischt aus den Wasserkanonen. Allerdings ohne Schwanken, denn der Mast steht fest auf Betonboden. Dafür hat der Stuntman, der einen abstürzenden Matrosen spielt, hat in dieser Szene kein Wasser unter sich. Er wird mit dem Seil auf fünf Meter am Mast empor gezogen, um die nötige Höhe für einen filmreifen Sturz zu haben. Dann klinkt er sich aus und stürzt laut schreiend nach unten. Aufeinander gestapelte Kartons dämpfen den Fall.

Nasser Tod in Kleinformat

Auch für die Untergangsszenen der "Pamir" gibt es Stuntdoubles. Die Besatzung: originalgetreu ausstaffierte Puppen im Zwergformat. Das Schiff: ein komplettes Modell im Maßstab 1:6. Diese "Pamir" ist mit ihren zehn Meter hohen Masten und 26 Metern Länge größer als so manche Yacht.
In einer lauen Sommernacht wird die "Mini-Pamir" schließlich filmreif versenkt. Verborgene Stahlseile unter Wasser zwingen das Modell langsam in Schräglage. Die Wasserkanonen und "Dip Tanks" erledigen den Rest. Um das Schiffmodell in dem flachen Tank auch kieloben filmen zu können, sägen Bühnenarbeiter zum Schluss die Masten ab.

50 000 Meilen unter dem Meer

Auch für Unterwasseraufnahmen bieten die Studios vielfältige Möglichkeiten. Im elf Meter tiefen "Deep Tank" lassen sich dramatische Bilder inszenieren. Das Becken ist ein großer, runder Trichter mit schwarz gestrichenen Wänden. Dadurch entsteht der realistische Eindruck, die Kamera befände sich in großer Tiefe.

Der Tank wurde 1979 speziell für den Film "Hebt die Titanic" gebaut. Ein Flop an den Kinokassen – aber ein Erfolg für die maltesischen Studios, denn die Kinoproduktion bezahlte die kompletten Baukosten und schenkte den Studios damit einen Tank für Tiefsee-Aufnahmen. "Adrift/Open Waters 2" oder die amerikanische Kinoproduktion "U 571" wurden hier gedreht.

Schiffsfriedhof

Das Schicksal von "U 571" gleicht dem anderer Boote. Abgestellt am Rand des Studiogeländes warten die Schiffsmodelle auf einen neuen Einsatz, vielleicht in einer Fortsetzung. Auch das 26 Meter "Pamir"-Modell steht mit abgehackten Masten neben dem Studioeingang und verfällt. Eine Fortsetzung vom "Untergang der Pamir" ist nicht geplant.

Autor: Björn Platz

Stand: 11.05.2012 13:09 Uhr

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