SENDETERMIN So., 09.11.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Im Reich der Grünen Riesen

Fast jeder kennt sie wegen ihres Körperbaus und ihrer auffälligen Erscheinung – doch die meisten Menschen halten dieses seltsame Tier für ein Fabelwesen wie das Einhorn. Doch Sägefische gibt es wirklich.

Die nördlichste Spitze Australiens ist wohl das letzte Rückzugsgebiet für ein eigenartiges Tier. Verschmutzung, Fischerei und Zerstörung des Lebensraumes haben die Sägefische in diese menschenleere Wildnis zurückgedrängt. Dabei waren diese über acht Meter langen Giganten dank ihrer unglaublichen Jagdtechnik früher in fast allen Ozeanen verbreitet – sie schwammen sogar bis ins Mittelmeer hinein.

Ein Fisch voller Rätsel

Tausende von Kilometern und monatelang ist Stirling Peverell jedes Jahr im australischen Busch unterwegs. An den einsamsten Stränden legt der Biologe Netze aus, um endlich einen Riesen zu fangen und zu besendern. Er will ihr Verhalten und ihre Wanderungen verstehen. Nur dann können Schutzgebiete eingerichtet werden, um die Sägefische vor dem Aussterben zu retten.

Säge ist Waffe und Nase zugleich

Vieles am Verhalten der Sägefische ist unbekannt. Zwar weiß Stirling inzwischen, dass die Säge nicht nur als Waffe dient. In ihr befindet sich eine Art Sensor, mit dem der Sägefisch auch minimale elektromagnetische Signale von Lebewesen erfasst. So spürt er auch tief im Sand vergrabene Muscheln oder Krebse auf. Um möglichst viel Fläche "abzutasten", schwingt der Kopf ständig hin und her.

Sägefische geben weitere Rätsel auf. Es ist sogar umstritten, wie viele Arten es gibt. Der Versuch, ein Tier zu fangen, ist ein zeitaufwendiges Glückspiel ohne Erfolgsgarantie. Stirling legt auch in Flussmündungen Netze aus. Denn auch im Süßwasser wurden früher Tiere beobachtet. Stirlings Theorie: vor allem Jungtiere schwimmen die Flüssen hinauf. Denn in den ausgedehnten Wurzeln der Mangrovenwälder, ist der Tisch für sie reich gedeckt. Erst wenn sie groß genug sind und keine Feinde – wie Tigerhaie und Salzwasser-Krokodile – mehr fürchten müssen kehren sie ins Meer zurück.

Schwierige Vermessung

Als Stirling und sein Team dann endlich einen Riesen im Netz haben müssen sie extrem vorsichtig sein. Die Säge dieses Riesen kann mühelos ein Bein vom Körper abtrennen. Nur solange die Säge im Netz verhakt ist, kann sie vermessen werden. Die "Zacken" wachsen das ganze Leben lang nach - wie die Zähne bei Haien. Die Säge misst bis zu 150 Zentimeter. Eigentlich sollte bei einer Untersuchung ein Beruhigungsmittel gespritzt werden. Doch bei dem um sich schlagenden Tier eine Spritze anzusetzen, ist unmöglich. Stirling entscheidet sich für einen Trick. Der Gigant wird auf den Rücken gedreht und bewegt sich nicht mehr. Forscher nennen dieses Verhalten "Tonic Immobility".

Implantation eines Senders

Jetzt kann endlich das Mittel gespritzt und das Tier aus dem Netz geholt werden. Die Geschlechtsteile des Männchens, die Clasper sind hart – er ist also paarungsbereit. Jedes Detail wird vermessen – für de Forscher ist jede Information wichtig. Denn wer weiß schon, wann wieder ein solcher Riese ins Netz geht. Um den fünf Meter langen Fisch wieder aufspüren zu können, wird noch ein Sender in den Körpers des Tieres implantiert. Die Operation sehen die Forscher als notwendig an, da das Risiko, einen am Körper sitzenden Sender wieder zu verlieren, ist zu groß.

Stirling ist sehr vorsichtig mit dem Tier: "Wir setzen eine zweite Spritze, ein Antibiotikum. Wir wollen vermeiden, dass sich der Fisch durch das Einsetzen des Senders mit einem Keim infiziert. So sind wir sicher, dass er gesund davonschwimmt und es auch bleibt."

Untersuchung der Genvielfalt

Nur mit einer Genprobe kann bestimmt werden, ob die inzwischen sehr kleinen Sägefischpopulationen isoliert leben oder untereinander verwandt sind. Ein Stück Haut wird zeigen, ob die Art noch eine Chance hat. Der letzte Schritt ist eine zweite, äußere Markierung damit Berufsfischer den Fang dieses Tieres melden. Leider verfangen sich die letzen Riesen immer noch in ihren Netzen. Nach knapp zehn Minuten kann das Tier wieder freigelassen werden.

Aber Stirlings Arbeit ist damit noch lange nicht zu Ende. Der markierte Sägefische schwimmt tatsächlich in die nahe gelegene Flussmündung. Der Biologe kann ihm in wenigen Metern Abstand folgen: Dank des Senders hinterlässt der grüne Riese eine hörbare Spur. Nach einem knappen Tag hat das Tier schon erstaunliche zwölf Kilometer zurückgelegt. Und zusätzlich hat Stirling viel über sein Verhalten erfahren: "Sie verharren anscheinend stundenlang am Boden, ohne sich zu bewegen. Dann plötzlich sind sie über lange Strecken unterwegs. Aber, wir können jetzt noch nicht sagen, ob er den Wanderungen ihrer Beutetiere folgen, oder sich einfach treiben lässt", sagt Stirling.

Schutzzonen für die grünen Riesen

Die australische Regierung richtet – dank Stirlings Daten – Schutzzonen ein. Doch damit gibt sich der 36jährige nicht zufrieden. Die Genprobe will er mit Proben von toten und gefangenen Tieren vergleichen. Die Verwandtschaftsverhältnisse der letzten Sägefischpopulationen zu klären, wird Jahre dauern. Vielleicht werden diese einzigartigen Tiere aussterben, bevor wir überhaupt wissen wie sie leben, wie sie sich vermehren und zu was sie fähig sind. Doch Stirling hat viel erreicht für seine Lieblinge: Dank ihm ist auch der Handel mit Sägefischen und gerade verboten worden. Die Säge wird als potenzförderndes Mittel in der chinesischen Medizin geschätzt und gilt unter Anglern als Trophäe.

Autor: Florian Guthknecht

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

Sendetermin

So., 09.11.08 | 17:03 Uhr
Das Erste