So., 09.03.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Nordic Walking: Sinnvoll oder unsinnig
Wer läuft, verbrennt sehr viele Kalorien und betreibt ein hervorragendes Ausdauertraining.
Allerdings ist die körperliche Belastung recht hoch.
"Walking" heißt die sanfte Alternative. Auch damit erreicht man eine gute Kondition. Zugleich ist die Gefahr der Überlastung wesentlich geringer. Wer das Ganze optisch aufpeppen will, "geht am Stock".
Weniger Belastung von Bändern und Gelenken
"Nordic Walking" ist der Trendsport der letzten Jahre. Etwa acht Millionen Bundesbürger betreiben das sportliche Gehen mit und ohne Stock.
Das Laufen unterscheidet sich davon grundlegend: hier sind kurzzeitig beide Beine in der Luft. Der Flugphase folgt ein relativ hartes Aufsetzen des Fußes.
Gelenke, Bänder und Sehnen müssen das Dreifache des Körpergewichts verkraften. Beim "Walking" und "Nordic Walking" dagegen ist immer ein Fuß am Boden. Die Belastungen sind mit dem ein- bis anderthalbfachen des Körpergewichts deutlich geringer.
Was bringt der Stockeinsatz
"Nordic Walker", so wird oft behauptet, verbrennen vierzig bis fünfzig Prozent mehr Kalorien als Walker. Realistisch sind es höchstens zehn Prozent. Ebenso auch die Behauptung, Nordic Walking entlaste gegenüber dem Walking die Gelenke um dreißig Prozent, trifft nicht zu.
Viele sportwissenschaftliche Versuche mit Kraftmessungen haben eindeutig nachgewiesen: Die Belastung des Bewegungsapparates verringert sich durch den Stockeinsatz kaum. Warum dann die Stöcke nicht einfach weglassen? Weil kräftige Armarbeit den Trainingseffekt erhöht, ohne dass man schneller gehen muss. Das nützt Menschen mit Gelenkbeschwerden und Übergewichtigen. Allerdings nur, wenn sie von qualifizierten Trainern angeleitet werden, und da hapert es.
Fehlendes Qualitätsmanagement
Dr. Petra Mommert-Jauch vom Deutsches Walking Institut (DWI) beklagt, dass es kein Qualitätsmanagement in der Trainerausbildung gibt. Die Sportwissenschaftlerin fordert, dass Trainer im "Walking"-Breich etwas von der menschlichen Anatomie und bestimmten Beschwerdebildern verstehen müssen. Nur so sei zu garantieren, dass "Walking" und "Nordic Walking" auch wirklich gesund ist.
Fachliche Anleitung ist notwendig
Das Gehen mit Stöcken ist technisch anspruchsvoller als normales "Walking". Man kann also auch mehr falsch machen. Zum Beispiel bei Patienten mit Nackenverspannungen, Schulter- und Halswirbelsäulen-Problemen. Hier kann "Nordic Walking" mit einer falschen Technik die Beschwerden verschlimmern. Die richtige Technik jedoch kann zu einer besseren Sauerstoffversorgung der kranken Bereiche und damit zu einer Abnahme der Schmerzen führen.
Mit der richtigen Anleitung haben "Nordic Walker" durchaus einen Benefit. Alle Körpermuskeln werden angesprochen und die Belastung kann gut kontrolliert werden. Ein Vorteil zum Beispiel für Herzpatienten. Der entscheidende Vorteil scheint aber zu sein, dass "Nordic Walking" Menschen begeistert, die man mit einfachem Gehen nicht motivieren konnte. Mit Stöcken sieht's halt einfach sportlicher aus, auch wenn es die langsamere Gangart ist.
Gefahr der Selbstüberschätzung
Wer gesund ist und gerne flott unterwegs ist, braucht keine "Gehhilfe". Wer die sportliche Herausforderung sucht, läuft. Allerdings kann es hier schneller zu orthopädischen Schäden kommen. Außerdem neigen viele Jogger zur Selbstüberschätzung.
Untersuchungen bei Freizeitsportlern haben gezeigt, dass viele einen hohen Laktatwert haben. Ein deutliches Indiz für Überlastung. Die Gefahr gibt es beim "Walking" kaum – es sei denn, man ist mit der falschen Technik unterwegs. Wenn man zum Beispiel eine zu große Schrittlänge wählt, können die Kräfte in den Gelenken höher sein als beim Joggen! Wie schon gesagt: die Technik macht's!
In jedem Fall empfehlen Fachleute einen Gesundheits-Check beim Arzt, bevor man sich Ausdauer-Belastungen zumutet. Und: eine Anleitung durch qualifizierte Trainer. Sonst ist der gesundheitliche Schaden vorprogrammiert.
Autor: Harald Brenner
Stand: 15.10.2013 09:28 Uhr