So., 19.04.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Aufruhr im Steigerwald
Naturschützer im Steigerwald
Georg Sperber liebt den Wald. Und der nordbayerische Steigerwald ist sein Leben. Über 1.000 Pilzarten gibt es hier. Darunter viele Raritäten: den "Ästigen Stachelbart" oder den "Dornigen Stachelbart". Auch die vielen Fruchtkörper des Zunderschwamms sind Zeichen für einen besonders naturnahen Wald. Der Steigerwald ist einer der letzten großen Buchenwälder Europas. Und deshalb möchte Georg Sperber hier das erreichen, was ihm zusammen mit dem prominentesten deutschen Naturschützer schon einmal gelungen war.
Projekt: Nationalpark im Bayerischen Wald
Ende der 60er Jahre hatten Naturschutzverbände die Idee, einen Teil des Bayerischen Waldes zum Nationalpark zu machen. Junge Forstwissenschaftler, darunter Georg Sperber, unterstützten die Idee. Durch ihren Einsatz gewannen sie auch Bernhard Grzimek als Fürsprecher. Es gab erhebliche Widerstände. Doch Grzimek nahm Kontakt mit der Politik auf und diskutierte mit den Menschen vor Ort. Auch über die Medien nahm er öffentlich zu dem Projekt Stellung.
Nicht zuletzt diesem Engagement war es zu verdanken, dass 1970 der Nationalpark Bayerischer Wald eröffnet wurde. Er war Urwald, Artenparadies und Anziehungspunkt für über 700.000 Gäste im Jahr.
Begeisterung für den Steigerwald
Seit dieser Zeit blieben Bernhard Grzimek und Georg Sperber immer in Kontakt. Auch als Sperber die Leitung des Forstamts Ebrach am Rande des Steigerwalds übernahm. Und so lernte Grzimek auch bald den Steigerwald kennen.
"Bernhard Grzimek war ein väterlicher Freund und Gönner von mir in Naturschutz-Angelegenheiten", sagt Sperber. "Im Gegenzug dazu hatte ich sein ziemlich rückhaltloses Vertrauen in forstlichen Angelegenheiten. Als ich dann hier ab 1972 meinen Dienst im Steigerwald antrat, hat er mich hier sofort besucht und war sehr schnell begeistert von der Einmaligkeit dieser Buchenwälder mit urigen Teilen, mit bis zu 350 Jahre alten Buchen."
Beeindruckende Artenvielfalt
Tatsächlich ist vor allem der nördliche Teil des Steigerwaldes ein Artenparadies. Vor allem in den kleinen, seit Jahrzehnten unbewirtschafteten Naturwaldreservaten.
Auf den Lichtungen wachsen prächtige Orchideenarten wie der Frauenschuh. Und dort, wo die Blätter der Buchen Schatten spenden und viel Todholz zu finden ist, hat sich zum Beispiel der seltene Rauhfußkauz wieder angesiedelt. Auch der bedrohte Halsbandschnäpper geht hier auf Insektenjagd. Spechtarten wie Mittelspecht und Schwarzspecht finden in den alten Bäumen optimale Brutbedingungen. Aber auch Siebenschläfer, Wespenbussard und Schwarzstorch haben hier eine Bleibe gefunden.
Viele Gründe für Naturschutz
Während seiner Zeit als Leiter des Forstamts Ebrach versuchte Sperber aber auch in den bewirtschafteten Waldflächen die Artenvielfalt zu steigern. Unter anderem hat er 400 Tümpel angelegt. Jetzt im Frühjahr finden sich hier Quadratmeter große Laichballen. Aus ihnen werden tausende Kaulquappen schlüpfen. Die Tümpel sind Rückzugsgebiet - auch für bedrohte Amphibien, wie den Kammmolch. Sogar verschiedene Arten des Feuersalamanders – in Süddeutschland eher selten – fühlen sich hier wohl.
Nach seiner Pensionierung kämpft Georg Sperber immer noch für einen Nationalpark Steigerwald. Argumente findet er überall. Gerade auch in den Höhlen verrottender Bäume, sogenannten Mulmhöhlen. Hier fressen zum Beispiel die Larven vom Goldenen Rosenkäfer, einer vom Aussterben bedrohten Art. Und ab und zu gelingt Sperber auf seinen Streifzügen durch den Steigerwald sogar eine Sensation.
Vor zwei Jahren entdeckte er den "Eremit". Der Käfer galt bereits als ausgestorben. Er braucht totes Buchenholz und hat hier offenbar einen Platz zum Überleben gefunden. Hirsch- und Nashornkäfer nutzen hier ebenfalls eines der letzten natürlichen Rückzugsgebiete.
Schutzraum dringend nötig
Die Artenvielfalt in Teilen des Steigerwalds ist immens. Auch Bernhard Grzimek hat hier ein Areal gekauft und es dem Naturschutz übergeben. Er unterstützte die Idee des Nationalparks. Heute kämpft Georg Sperber alleine weiter, denn er ist davon überzeugt: Die artenreichen Inseln, die es im Steigerwald bereits gibt, genügen nicht für einen nachhaltigen Schutz. Und gerade wegen der wenigen großen Buchenwälder, die es in Europa noch gibt, stehe Deutschland hier in der Pflicht.
Ein schwieriges Vorhaben
Doch je mehr Sperber für seine Idee kämpft, desto lauter wird der Protest. Zahlreiche Vereine, Verbände und insgesamt 14 Gemeinden rufen zu erbittertem Widerstand auf. Die Menschen befürchten, dass sich die Struktur des Steigerwalds zu stark verändern würde. Die Arbeitsplätze in der holzverarbeitenden Industrie und in den Familienbetrieben rund um den Steigerwald seien gefährdet. Die Landwirte haben Sorge vor zu starken Auflagen und mehr Schwarzwild, das die Felder zerstören könnte. Auch glaubt man in den Gemeinden nicht, dass der Tourismus so angekurbelt werden könnte wie damals im Bayerischen Wald. Und schließlich hätten auch viele Privatleute in Zeiten knapper und teurer Rohstoffe auf Holzheizungen umgestellt. Sie haben Angst, keinen Brennstoff mehr zu bekommen.
Wäre Bernhard Grzimek noch am Leben, würde er sicher für den Nationalpark kämpfen. Denn einer seiner Alterssitze war eine alten Mühle bei Donnersdorf, am westlichen Rand des Steigerwaldes. Georg Sperber hatte ihm das Anwesen vermittelt. Hier züchtete Grzimek Araber-Pferde und genoss den Blick auf den Steigerwald. Doch der ist heute verbaut mit einem riesigen Logistikzentrum. Georg Sperber hofft, dass das kein Omen ist für das Projekt Nationalpark Steigerwald
Adressen & Links
Informationen des Bund Naturschutz zum Thema Nationalpark Steigerwald.
www.bund-naturschutz.de
Website des Freundeskreies Nationalpark Steigerwald.
www.pro-nationalpark-steigerwald.de
Autor: Herbert Hackl
Stand: 29.07.2015 11:21 Uhr