SENDETERMIN So., 06.09.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Der geheime Weg der Riesenhaie

Flosse eines Riesenhais
Flosse eines Riesenhais. | Bild: BR

Die Arbeit von Meeresbiologen / Haiforschern stellt man sich immer als großes Abenteuer vor: Sonne, Meer und faszinierende Tiere. Doch wer in diesem Metier arbeiten will, der muss viel Frust ertragen. Vor allem, wenn es um den zweitgrößten Fisch der Erde (der größte ist der Walhai), den Riesenhai geht. Denn die Art ist wahrscheinlich kurz vor dem Aussterben. Wegen der Riesenhaie sind Jackie und Graham Hall vor 8 Jahren auf die Insel zwischen Irland und England gekommen. Doch seit drei Wochen ist diese Flosse das Erste, was die Forscher von den bis zu 12 Meter langen Tieren gesehen haben. Eigentlich sind die Giganten den ganzen Sommer hier. Doch dieses Jahr tauchen sie einfach nicht auf – obwohl die Isle of Man als der vielleicht beste Ort gilt, um ihnen zu begegnen.

Riesig – aber harmlos

Riesenhai vor der Küste der Isle of Man
Riesenhai vor der Küste der Isle of Man. | Bild: BR

Riesenhaie sind nur zu sehen, wenn sie direkt unter der Oberfläche fressen. Durch ihr weit geöffnetes Maul fließen über zwei Tonnen Wasser pro Stunde – und mit ihm Plankton – Kleinstlebewesen, das Futter der Tiere. Die Isle of Man staut wie eine Mauer verschiedene Meeresströmungen. Das Plankton wird hier förmlich gegen die Ufer gepresst.

Schwieriges Forschungsobjekt

Wissenschaftler wissen fast nichts über Riesenhaie. Graham und Jackie gehören zu den ganz wenigen Forschern, die es geschafft haben, Riesenhaie zu besendern. Mehr als 8000 Kilometer - bis vor die kanadische Küste - ist eines der Tiere geschwommen. Der erste Beweis, dass Riesenhaie gewaltige Strecken zurücklegen. Den Satelliten-gestützten Sender anzubringen ist ein Kunststück. Denn die Nadel muss stabil sitzen und darf das Tier nicht verletzen. Riesenhaie haben eine seltsame Physiognomie. Ein Drittel des Körpergewichts macht alleine die Leber aus. Setzt Graham den Sender nur ein paar Zentimeter daneben, kann das lebenswichtige Organ beschädigt werden. Und die beiden Wissenschaftler können nicht absehen, wie lange das Tier noch in Bootsnähe bleibt. Sein Verhalten ist unvorhersehbar. Die Planktonfresser kann man nicht anfüttern – und man muss vorsichtig manövrieren, damit das Boot sie nicht erschrickt. Doch trotz aller Vorsicht - dieses Tier ist zu scheu. Dr. Jackie Hall ist in solchen Fällen vorsichtig: „Überall sind Schaumkronen auf dem Wasser - bei diesem Seegang und bei der Geschwindigkeit mit der der Hai schwimmt, können wir nicht einmal daran denken ihn zu besendern. Es ist nicht sicher für ihn.“

Folge dem Plankton!

Fast 100 Tage sind die Halls jährlich auf See. Nur 10 davon sind geeignet für das Besendern – Haiforscheralltag. Denn alles ist abhängig vom Plankton – je nach Tageszeit und Temperatur steigen die Kleinstlebewesen tausende von Metern in der Wassersäule nach oben oder unten. Niemand weiß genau, wann und warum. Riesenhaie folgen ihrem Futter – man nimmt an, dass sie auch in der Tiefsee fressen. Dann kommen sie tagelang nicht an die Oberfläche und bleiben für die Forscher unsichtbar.

Gefahr für Forscher und Haie

So perfekt die Isle of Man für Riesenhaiforschung auch liegen mag - das Wetter hier ist unberechenbar. Binnen Minuten zieht fast täglich Nebel auf und hüllt die Küsten ein - für Graham und Jackie das Signal, sofort den sicheren Heimathafen anzusteuern. Trotz ihres enormen Einsatzes – den Forschern bleibt für Ihre Arbeit kaum noch Zeit. Denn der Mensch sorgt dafür, dass die Giganten vom Aussterben bedroht sind. Kilometerlange Schleppnetze lassen den Tieren trotz hochsensibler Sinnesorgane keine Chance. Amerikanische Forscher wollen anhand Genanalysen herausgefunden haben: Weltweit schwimmen nur noch ca. 8.000 Riesenhaie in den Ozeanen. Und wenn sie an die Oberfläche kommen, werden Bootsschrauben oft zur tödlichen Gefahr.

"Glücksspiel" auf dem Ozean

Nur die Flosse des Riesenhais ist zu sehen
Nur die Flosse des Riesenhais ist zu sehen. | Bild: BR

Am nächsten Morgen ist das Wetter gut. Fast 70 Kilometer haben Jackie und Graham schon zurückgelegt bis sie in einer geschützten Bucht einen Hai entdecken. Wegen des Abstandes von Rücken- und Schwanzflosse schätzt Jackie das Tier auf über sieben Meter. Photos sollen helfen den Riesen zu identifizieren. Die beiden arbeiten an einer Datenbank, die Haiforscher weltweit vernetzt. Jede Riesenhai-Rückenflosse hat individuelle Merkmale – man muss sie nur gut vor die Linse bekommen. Auch wenn ein Hai näher kommt heißt es: Prioritäten setzen – erst die Photos, dann alle weiteren Untersuchungen! Es ist nie viel Zeit. Graham will vom Boot aus Unterwasseraufnahmen machen, um das Geschlecht zu bestimmen. Ein Provisorium - aber auf Taucher reagieren die riesigen Tiere meist mit Flucht. Die Geschlechtsteile an der Bauch-Unterseite beweisen: Es ist ein Männchen. Doch das wird die einzige Erkenntnis bleiben. Das Tier dreht ab und auch für den Rest des Tages lässt sich kein Artgenosse blicken. Für die Forscher auf der Isle of Man bleiben sind nur noch wenige Tage Zeit, um ein Tier mit einem Sender zu markieren. Im Herbst sind die Riesenhaie aus der irischen See verschwunden und wenn dann wieder kein Tier besendert ist, weiß man immer noch nicht mit Sicherheit, wohin die Giganten wandern.

Autor: Florian Guthknecht (BR)

Stand: 31.01.2013 12:31 Uhr

Sendetermin

So., 06.09.09 | 17:03 Uhr
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