So., 14.03.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Die Freunde der Fischer
Flussdelfine in Burma
Die Fischer vom Irawadi-Fluss in Burma fangen Fische auf ungewöhnliche Art. Sie arbeiten mit Flussdelfinen zusammen. Seit Jahrhunderten gibt es diese Tradition. Es sind nur noch wenige, die diese Art des Fischfangs praktizieren. Viele Fischer fangen die Beute heute mit Stellnetzen oder illegal – mit Gift oder Dynamit. Der Fluss hat den Delfinen ihren Namen gegeben – es sind die Irawadi-Flussdelfine. Im Süßwasser des Irawadi sind die dunkel- bis hellgrauen Flussdelfine beheimatet. Sie leben in kleinen Gruppen von etwa sechs Tieren. Über viele Generationen hat sich das Zusammenleben zwischen den Menschen und Tieren eingespielt. Die Delfine helfen den Fischern und diese verehren sie als heilige Tiere.
Die Delfine des Irawadi-Flusses
Die Irawadi-Delfine sind deshalb so einzigartig, weil sie zu den ganz wenigen Arten gehören, die sowohl im Salz- als auch im Süßwasser leben können. Bevor sich der Mensch an den Ufern des Irawadi ansiedelte, muss es den Delfinen gut gegangen sein, denn im Fluss gab es viele Fische.
Heute ist der einstige Fischreichtum zusammengeschmolzen. Die Fischer nutzen die Anpassungsfähigkeit und den Jagdinstinkt der Delfine und arbeiten mit den Tieren zusammen. Sie locken sie mit Klopfzeichen an. Dabei schlagen sie mit ihren Paddel auf den Rand der Holzboote. Die Tiere kommen nur, wenn Klang und Rhythmus stimmen. Sobald die Fischer mit den Delfinen Kontakt aufgenommen haben, folgen sie den Tieren. Um den Kontakt zu den Delfinen während der gemeinsamen Jagd nach den Fischen zu halten, stoßen die Fischer immer wieder Lockrufe aus. Mit den Bleigewichten ihrer Netze klopfen sie auf den Boden der Boote. So können die Delfinen den Standort der Fischer auch unter Wasser orten und den Fischschwarm in Richtung der Fischerboote treiben.
Fischer und Flussdelfin – Ein eingespieltes Team
Haben die Delfine einen Fischschwarm ausgemacht, geben sie den Fischern mit ihren Seiten- und Rückenflossen Zeichen. Sie schlagen mit den Flossen heftig auf die Wasseroberfläche, was bedeutet, dass die Fischer genau an dieser Stelle ihre Netze werfen sollen. Mensch und Tier sind ein eingespieltes Team.
Delfine helfen den Fischern zu überleben
Es gibt nicht mehr viele Fische im Irawadi. Deshalb müssen sich die Fischer auch mit wenig zufrieden geben. Ihr Fang würde aber noch geringer ausfallen, wenn ihnen die Delfine nicht helfen würden. Die Fischer werfen abwechselnd ihre Netze aus. Die Delfine wollen ständig beschäftigt sein, sonst verlieren sie die Lust an der Zusammenarbeit. Obwohl die Fischer miteinander arbeiten, teilen sie ihren Fang nicht. Jeder bekommt nur das, was ihm ins Netz geht. Gegenseitiger Neid kommt dennoch nicht auf. Sie leben ganz nach den Regeln des Buddhismus, wo Gelassenheit wichtiger ist als Gewinnstreben. Es scheint so, als ob sich das soziale Verhalten unter den Delfinen auch auf das Miteinander der Fischer auswirkt. Die Gemeinsamkeit ist wichtiger als der individuelle Erfolg.
Wissenschaftler versuchen die Delfine zu retten
Die Flussdelfine stehen seit Jahren auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten. Es soll noch etwa 70 Flussdelfine im Irawadi geben. Forscher kämpfen um das Überleben jedes einzelnen Delfins. Schuld am Delfinsterben sind vor allem die Menschen, die den Fluss für sich nutzbar machen und damit den Delfinen die Lebensgrundlage rauben. Früher soll es sie zu Tausenden gegeben haben. Fluss-Schweine nannten die Menschen die Flussdelfine ursprünglich, aufgrund ihrer stumpf abgerundeten, melonenförmigen Köpfen, rundlichen Körper und kleinen Augen. Den Delfinen fehlt die lang gezogene Schnauze ihrer Artgenossen aus dem Meer, auch bewegen sie sich längst nicht so schnell und so elegant durch das Wasser.
Wissenschaftler aus den USA und Burma haben es geschafft, nördlich von Mandalay, eine etwa 70 Kilometer lange Schutzzone im Irawadi für die Delfine einzurichten. Die Zusammenarbeit zwischen Fischern und Delfinen wird von staatlicher Seite gefördert. Die Forscher hoffen, dass die Delfine so besser geschützt werden und vor dem Aussterben bewahrt werden.
Die goldene Ader Burmas – der Irawadi-Fluss
Der Irawadi-Fluss gilt als die goldene Ader Burmas. Das Flussgold hat über viele Jahrhunderte die Dächer der Pagoden, die entlang des Flusses stehen, geschmückt. Heute werden die Pagoden mit einer schimmernden Farbe bemalt. Die Einheimischen nennen den Irawadi Ayeyarwady, was so viel wie "Fluss, der den Menschen Segen bringt" bedeutet. Mit einer Länge von knapp 2.200 Kilometer ist er der bedeutendste Fluss Burmas und die Hauptroute für den Schiffsverkehr.
Der Irawadi entspringt im südlichen Himalaya und durchquert Burma von Norden nach Süden, wo er in einem neunarmigen Delta in die Andamanensee mündet. Entlang des trägen und trüben Flusses spielt sich der Alltag der Menschen ab. Der Irawadi ist Straße und Treffpunkt, Waschstelle und Küche sowie Tränke für das Vieh. Vielen burmesischen Fischern sichert er noch das Überleben. Ob die Irawadi-Flussdelfine auch weiterhin hier heimisch sein werden, wird sich zeigen.
Autor: Holger Preuße (WDR)
Stand: 11.05.2012 13:01 Uhr