So., 02.05.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Mexiko-City – vom Moloch zur Modellstadt
Über 20 Millionen Menschen leben und arbeiten in Mexiko City, und das bedeutet für die Metropole katastrophale Verkehrsverhältnisse mit dauerhaft verstopften Straßen. Das soll sich nun ändern, und damit auch die gesamte Lebensqualität der Stadt.
Vom Moloch zum Modell
Treibende Kraft dieser Entwicklung ist Bernardo Baranda Sepúlveda. Er hat in Holland Verkehrsplanung studiert und gehört nun zum Team der Stadt Mexiko, das den Moloch zum Modell umkrempeln will. 18 Kreuzungen wurden im Test mit Blumentöpfen verschönert, Poller in den Asphalt gerammt – zur Verkehrsberuhigung. Und es gibt tatsächlich eigens markierte Radwege. Was Europäern als selbstverständlich erscheint, grenzt hier an Revolution. Bernardo Baranda Sepúlveda erklärt das Vorhaben: "Wir wollen die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer ganz entscheidend erhöhen. Wir wollen ihnen mit Markierungen und Sperren eigene Zonen in der Straße schaffen, in denen sie sich problemlos und sicher bewegen können."
Fahrräder für Jedermann
Auch Verleihstationen für Fahrräder gibt es immer mehr – über Tausend Drahtesel sind in dem schicken Stadtteil Condesa verteilt worden. Für eine Jahresgebühr von etwa 15 Euro kann man sich die "Eco-bicis" jederzeit ausleihen – so will man auch die autoverrückten "Machos" zum Umsteigen bewegen. In dem Stadtteil gibt es Dutzende von Verleihpunkten. "Wir wollen ein Verkehrssystem erreichen, in dem das Fahrrad als individuelles Transportmittel eine größere Rolle spielt," so Bernardo Baranda Sepúlveda.
Strand mitten in der Stadt
Mexiko-Stadt soll grüner werden. Zu dieser Philosophie gehören auch die künstlichen Strände, die bewusst in ärmeren Stadtteilen eröffnet werden – sehr zur Freude vieler Kinder. Marcelo Ebrard, der Bürgermeister von Mexiko-Stadt, hat den ökologischen Umbau der Riesenmetropole zur Chefsache erklärt. Ebrard will eine andere Form des städtischen Zusammenlebens. Und dazu gehören für ihn mehr Fahrräder und Fußgänger in den Straßen. Im Winter werden Eislaufbahnen eröffnet und im Sommer die künstlichen Strände – für den Politiker ist das kein PR-Gag, sondern gelebte Sozialarbeit. Dahinter steckt laut dem Bürgermeister ein einleuchtender Grund: "Der überwiegende Teil unserer Bevölkerung kann es sich leider nicht leisten, an einen richtigen Strand zu fahren – deswegen bringen wir die Strände zu ihnen."
Schnell und günstig Reisen: der Metrobus
Das Herzstück der neuen Stadtpolitik aber ist der Metrobus. Der Schnellbus fährt in einer eigenen Spur und wird sogar von mexikanischen Autofahrern respektiert. 70 Kilometer Schnellbus-Trasse sind in der Stadt bereits im Betrieb, gefahren wird mit modernsten Bussen aus Europa. Dadurch werden auf den bestehenden zwei Buslinien 80.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich eingespart. Der Metrobus ist ein Modell für ärmere Länder, denn ein Busnetz ist billiger und auch schneller fertig gestellt als ein U-Bahn-Netz. Bernardo Baranda Sepúlveda: "Eine U-Bahn kostet hundert Millionen Dollar pro Kilometer, ein Kilometer Metrobus dagegen nur zwei Millionen Dollar. Und deswegen ist der Metrobus eine exzellente Alternative."
Freie Fahrt für Radfahrer
Jeden Sonntag reiben sich alteingesessene Mexikaner immer noch verwundert die Augen. Dann wird nämlich die Prachtstraße der Stadt, die Avenida Reforma, für Autos gesperrt. So erobern die Radfahrer vorsichtig ihre Metropole. Was vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, hat jetzt begonnen: der Umbau von Mexiko-Stadt.
Autor: Stefan Schaaf (SWR)
Stand: 18.09.2015 14:15 Uhr