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Mode aus Müll

Müllsammler sammelt Plastiktüten auf
Shailesh sammelt täglich 100 Kilogramm Müll | Bild: WDR

Im Ballungsraum Delhi leben rund 19 Millionen Menschen und die produzieren täglich jede Menge Müll. Die städtischen Betriebe schaffen es, gerade mal zwei Drittel des Mülls der Megastadt zu entsorgen. Den Rest sammeln die sogenannten Ragpicker von den Straßen auf und verkaufen ihn an Recyclingstellen. Shailesh wohnt in einem kleinen Slum und ist einer von insgesamt 150.000 Müllsammlern in Delhi. Um seine siebenköpfige Familie zu ernähren, muss er bis zu 100 Kilogramm pro Tag aufsammeln und an eine Recyclingannahmestelle verkaufen. Shailesh bekommt am Tag 3,50 Euro – drei Mal mehr als seine Kollegen durchschnittlich verdienen. Shailesh hat gute Arbeit gefunden, denn er bringt seinen Müll zu "Conserve". Und die machen aus Müll Mode für den europäischen Markt.

Ein ganzheitlicher Ansatz

Taschen der Marke "Conserve"
Größter Abnehmer der Modeartikel weltweit ist Deutschland | Bild: WDR

1998 gründete die Inderin Anita Ahjua zusammen mit ihrem Mann Shalabh die Organisation "Conserve". Sie will mit Hilfe ihrer Organisation gleich zwei Probleme der Stadt Delhi bekämpfen – die Armut und das wachsende Müllproblem. Die Organisation produziert aus Delhis Straßenmüll Handtaschen und Portemonnaies. Über 300 Menschen beschäftigt Anita Ahjua bereits. Alle erhalten faire Löhne, Weiterbildung und wenn nötig auch Unterstützung bei Behördengängen oder bei der Eröffnung eines Bankkontos. "Conserve" kümmert sich auch um die Stadtviertel, in denen die Angestellten leben. In Shaileshs Slum wird eine Schule finanziell unterstützt und die Gesundheitsversorgung verbessert.

Vom Müll zur Handtasche

Eine Frau hängt Plastiktüten auf
Gewaschene Plastiktüten trocknen in der Sonne | Bild: WDR

Die Ragpicker sammeln in der ganzen Stadt dünne Plastiktüten ein und bringen diese zu "Conserve". Dort werden die schmutzigen Tüten aufgeschnitten, gewaschen und in der Sonne getrocknet. Die Abteilungsleiterin für Waschen und Trocknen heißt Geeta. Sie hat vor sechs Jahren bei "Conserve" als Ragpickerin angefangen. Anita Ahjua gab ihr eine Chance und bildete sie fort. Heute kann Geeta mit einem Tageslohn von knapp sechs Euro gut für ihre Familie sorgen.
Die getrockneten Tüten werden nach Farben sortiert. Klingt einfach – ist es aber nicht. Die Hauptsprache in Delhi ist Hindi, aber diese Sprache kennt nur Wörter für Hauptfarben. Feine Farbnuancen wie Pink oder Mintgrün gibt es nicht . Außerdem kommen die Angestellten aus den verschiedensten Regionen des Landes und sprechen alle unterschiedliche Sprachen. Die Lösung: Für jede Farbe steht symbolisch ein Bollywood-Schauspieler. Statt nach der Farbe Pink wird nach der Sari-Farbe von Amisha Patel sortiert und Bollywood-Star Preity Zinta repräsentiert Mintgrün.

Die sortierten Tüten werden zu einem Muster übereinander gelegt. In einer Maschine werden sie erhitzt und gepresst. Es entsteht eine Art Stoffbahn aus Plastik, die in der Schneiderei zurechtgeschnitten wird.

Rohstoffe gibt es genug

Stofflagen auf Plastik mit unterschiedlichen Muster
Unendlich viele Muster sind möglich | Bild: WDR

Die dünnen Plastiktüten können meist nur ein Mal verwendet werden und werden dann meist weggeworfen. Auch die indische Regierung hat die Umweltbelastung erkannt und den Handel mit den Tüten verboten. Gehen sie doch über die Ladentheke, drohen Geldstrafen bis zu 1.500 Euro. Anita Ahjuas Projekt ist dennoch nicht gefährdet. Wie überall auf der Welt gibt es auch in Indien genug Plastik-Verpackungen. Für die Modeartikel, die "Conserve" anbietet, kann jede Form von Plastik verarbeitet werden.

Der Rohstoffnachschub ist also gesichert und unendlich viele Muster können noch entstehen, um wirklich jeden Modegeschmack in der Welt zu befriedigen. Der Kauf einer Tasche wird also auch in Zukunft ein paar gute Arbeitsplätze in der Millionenstadt Delhi sichern können.

Adressen & Links

Auf der Website der Organisation "Conserve" gibt es ausführliche Informationen über die Idee, aus Müll Mode zu produzieren. Auch eine Liste mit Geschäften aus Deutschland, welche "Conserve" Produkte führen, sowie ein Online-Shop finden sich hier.
www.conserveindia.org

Info

Ragpicker

Ein Ragpicker verdient seinen Lebensunterhalt durch das Sammeln von Müll, vor allem Plastikflaschen und -tüten. Diesen getrennten und sortierten Müll verkauft der Ragpicker nach dem Sammeln an einen Zwischenhändler.

Autor: Peter Krachten (WDR)

Stand: 24.09.2012 11:49 Uhr

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