So., 24.10.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Salztoleranter Weizen
Bodenversalzung – die Folge künstlicher Bewässerung
"Versalzung ist ein Problem, das die Menschheit schon lange kennt, aber in den letzten Jahren hat sich die Situation dramatisch verschlimmert", erklärt Professor Urs Schmidhalter vom Lehrstuhl für Pflanzenernährung an der Technischen Universität München. Denn Bodenversalzung ist am häufigsten eine Folge der zunehmenden künstlichen Bewässerung und des damit verbundenen veränderten Grundwasserspiegels. An der Stelle, wo Wasser entnommen wird, sinkt der Grundwasserspiegel. Dort, wo das Wasser hingeleitet wird, steigt der Grundwasserspiegel und fördert so die Versalzung. Dabei werden Mineralsalze aus den Gesteinen gelöst und zur Oberfläche transportiert, wo sie die Wurzeln der Pflanzen angreifen. Ein Teufelskreislauf, der unlösbar scheint. Denn es leben immer mehr Menschen auf der Erde, die immer mehr Nahrungsmittel brauchen.
Die bewässerten Regionen gehören zu den weltweit produktivsten Gebieten, bereits 20 Prozent dieser Flächen sind von Bodenversalzung betroffen, Tendenz steigend. Ein schleichender Prozess, der weltweit stattfindet. Der höchste Anteil versalzener Böden befindet sich in Australien, gefolgt von Asien, Amerika und Afrika. Also überall dort, wo viel Nahrungsmittel auf kleinstem Raum gewonnen werden. In Europa ist Spanien am stärksten betroffen.
Salzpflanzen als Vorbilder für salztoleranten Weizen
Die Lösung suchen Forscher weltweit derzeit darin, Nutzpflanzen zu entwickeln, die auch auf salzigem Boden wachsen können. Vorbilder könnten Pflanzenarten sein, die sich dem Salzwasser angepasst haben, sogenannte Halophyten. Mit Hilfe sehr wachshaltiger Schutzschichten an ihren Blättern und einer besonders effizienten Regulation der Spaltöffnungen minimieren sie die Wasserabgabe. Wie zum Beispiel Mangroven: Sie filtern überschüssiges Salz heraus und scheiden es wieder aus. Wissenschaftler am Institut für Pflanzenernährung der Technischen Universität München sind nun auf arabische Weizensorten gestoßen, die auch auf versalzten Böden wachsen können. Sie haben herausgefunden, wie dieser Weizen mit dem Salzüberschuss umgeht. Dies ist die Grundlage für die Züchtung von Sorten, die auch bei Dürre und Wassermangel gute Ernte bringen könnten.
Modellversuch an der TU München mit salztolerantem Weizen
Sakha-93 und Sakha-61, so heißen die beiden Weizensorten aus Ägypten, die auf der Versuchsstation Dürnast der TU München erforscht werden. Von unserem Sommerweizen unterscheiden sie sich vor allem durch ihre kleinere Blattfläche und weniger gefüllte Ähren. Beide Sorten sind nicht gentechnisch verändert, sondern nur durch natürliche Selektion und Kreuzung entstanden, das ist Professor Urs Schmidhalter besonders wichtig.
Vor der Ansaat im Frühjahr wurde der Boden mit einer Salzlösung vorbehandelt. Ziel der Wissenschaftler ist es, möglichst früh zu erkennen, welche Pflanze besser mit Salz und Trockenheit umgehen kann. Beim Versuchsaufbau ist die Saat in drei Gruppen aufgeteilt:
Weizen auf salzigem Boden, der viel gegossen worden ist.
Die zweite Gruppe hat etwa nur die Hälfte an Wasser auf salzigem Boden bekommen.
Am besten haben es die Kontrollpflanzen: Sie haben so viel Wasser und Dünger erhalten, wie sie brauchen und sind auch keinem Salzstress ausgesetzt worden.
Während der 150 Tage Anbauzeit haben die Forscher fortlaufend die Toleranzfähigkeit der Pflanze kontrolliert: Wer kommt besser zurecht, Sakha-93 oder Sakha-61? An welchen Anzeichen erkennt man den Stress der Pflanze? Um feste Vergleichsparameter zu erhalten, wurden Blatthöhe und -größe dokumentiert. Mit einer Wärmebildkamera wurde zudem die Oberflächen-Temperatur gemessen. Denn Pflanzen, die Trockenstress haben, schließen ihre Spaltöffnungen ab, um weniger Feuchtigkeit zu verlieren. Die Bilder zeigen: Die extrem gestressten Pflanzen haben quasi Fieber und sind auf dem Wärmebild rot, während die Kontrollpflanzen kühl bleiben, auf dem Bild blau sind.
Fünf Monate dauert es etwa, bis die drei Saat-Gruppen ausgereift sind. Die salz-gestressten Pflanzen sind deutlich kleiner. Die Kontrollpflanze mit guter Versorgung zeigt viele Körner.
Aber auch die Gruppe Sakha 93 mit hohem Salz- und Trockenstress hat einen Ertrag gebracht. Und das ist das Entscheidende, dass Weizensorten trotz hoher Stressfaktoren überhaupt eine Ernte erbringen.
Zukunftshoffnung: Züchtung von salztolerantem Mais und Reis
Nachdem der Weizen nun in Boxen mit jeweils kleinen Bodenoberflächen von etwa einem halben Quadratmeter gezüchtet wurde, steht als nächstes ein Freiland-Versuch an. "Unser nächstes Ziel ist es nun, auf einer größeren Fläche mit einem viel größeren Genotypen-Sortiment mit diesen relativ einfachen Methoden diese Toleranz auf Trockenheit und auf Salzstress zu charakterisieren", erklärt Professor Urs Schmidhalter.
In Zukunft sollen die Methoden dort eingesetzt werden, wo die Bodenversalzung am bedrohlichsten ist. In etwa zehn Jahren könnte ein besseres Saatgut bei den Bauern angekommen sein- möglichst ohne Gentechnik, sondern durch weitere Auslese und konventionelle Züchtung. Irgendwann sollte es möglich sein, die Salztoleranz von Weizen auch auf andere Kulturpflanzen zu übertragen, wie zum Beispiel Reis und Mais, so die Hoffnung des Forschungsteams um Professor Urs Schmidhalter.
Autorin: Astrid Uhr (BR)
Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr