So., 20.02.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Damit Bello nicht am Stock geht
15 Jahre auf dem Hundebuckel – da gibt man als wohlgenährter Vierbeiner von heute den Napf noch nicht ab... Auch Hunde werden immer älter. Und leiden wie Herrchen und Frauchen mit zunehmendem Alter an Ausfallerscheinungen und typisch geriatrischen Erkrankungen.
Vor 40 Jahren lag die Lebenserwartung eines Hundes bei durchschnittlich 8,9 Jahren, die einer Katze bei gerade einmal 5,4. Inzwischen sind es 12 Jahre für Hunde und 9,6 Jahre für Katzen. Was in der Statistik trocken und wenig beeindruckend klingt, bedeutet für die Tiermedizin gewaltige Veränderungen: Jeder zweite Patient, der heute beim Tierarzt vorgestellt wird, ist ein Senior – und hat die entsprechenden Symptome.
Wie der Herr, so's Gscherr
Art und Häufigkeit der Erkrankungen bei alten Hunden unterscheiden sich dabei kaum von denen des Menschen. Die Todesursache Nummer eins bei Hunden ist Krebs. Doch auch Herzerkrankungen und Verschleißerscheinungen sind typische "Zipperlein", die dem Vierbeiner das Leben schwer machen.
Sogar unter einer Art Demenz können Hunde leiden. Bei ihnen lässt zunächst die Gedächtnisleistung nach und sie werden orientierungslos. Ein typischer Test dafür: Der Hund wird mit dem Gesicht zur Wand in eine Ecke gestellt. Ein gesundes Tier würde sich sofort von der Wand abwenden und sich so aus der beengten Situation befreien, ein dementer Hund verharrt teilnahmslos. Früher oder später vergisst der Hund dann auch, dass er einmal gelernt hat, seine Notdurft außerhalb der Wohnung zu verrichten – und beginnt wieder, Kot und Urin im Haus abzusetzen.
Tiermedizin heute – nichts ist unmöglich
Computer- oder Magnetresonanztomographie – das ist nicht nur etwas für den Menschen. Bei diagnostischer Ausstattung und Behandlungsmöglichkeiten sind Human- und Veterinärmedizin nicht mehr weit voneinander entfernt. Krebs beispielsweise wird operativ, durch Strahlen- und Chemotherapie behandelt. Getrübte Augenlinsen können problemlos ersetzt werden, und auch Hund oder Katze kann mit einem Herzschrittmacher zu mehr Lebensqualität verholfen werden.
Viele Besitzer sind bereit, die entsprechenden Therapien zu bezahlen. Eine aufwändige Kreuzbandriss-Operation zum Beispiel kostet rund 1.500 Euro. Haustiere sind für ihre Halter oft Familienmitglieder, mitunter Kindersatz – und für die eigene Familie ist nichts zu teuer.
Nicht alles ist vertretbar
Wer zahlt, so heißt es, bestimmt. Und ohne die Bereitschaft der Tierbesitzer, für aufwendige Behandlungen tief in die Tasche zu greifen, hätte die Tiermedizin nicht die gewaltigen Entwicklungssprünge der letzten 15 Jahre machen können. Trotzdem sind die meisten Veterinäre überzeugt, dass sie nicht alles, was medizintechnisch machbar ist, auch tun sollten.
Professor Martin Kramer, Leiter der Kleintierklinik Gießen und Dekan des Fachbereichs Veterinärmedizin an der dortigen Universität, zieht klare Grenzen: Organtransplantationen, wie sie in den USA durchaus vorgenommen werden, lehnt er kategorisch ab. Das Spendertier könne nicht einwilligen, und es sei ethisch nicht vertretbar, ein Tier gesundheitlich zu schädigen, um ein anderes zu retten. Womöglich entstünde sonst gar ein Schwarzmarkt für Tierorgane.
Generell dürfe das einzige Kriterium für die Durchführung einer Therapie das Wohl des Tieres sein. "Wenn das Tier trotzdem weiterhin Schmerzen hat, die nicht zu behandeln sind. Oder wenn das Tier aus unserer Sicht kein tierwertes Leben mehr hat – selbstständig fressen, sich bewegen und Kot absetzen kann. Wenn wir diese Behandlung nur durchführen sollen, um dem Besitzer noch eine längere Zeit mit dem Tier zu geben, dann denke ich, sind wir es dem Tier schuldig, das abzulehnen."
Autor: Thomas Wagner (NDR)
Stand: 26.07.2013 14:44 Uhr