So., 27.02.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Das Spiel der Hautfarben
Afrika – der schwarze Kontinent. Wenn die Wiege der Menschheit hier liegt, dann müssen die ersten Menschen auch eine dunkle Haut gehabt haben, oder? Doch diese Schlussfolgerung ist voreilig – und falsch.
Die Anthropologin Dr. Nina Jablonski geht im Kenianischen Rift Valley der Frage nach, warum Menschen unterschiedliche Hautfarben haben, und welchen Teint die Haut unserer Vorfahren hatte. Um das zu beantworten, muss man zunächst die damaligen klimatischen Umstände kennen. Vor Millionen Jahren gab es im Osten Afrikas keine trockene Savanne: Die Gegend war von einem dichtem Wald bedeckt, eine schattige und feuchte Umgebung für unsere Urahnen also. Evolutionsforscher sind sich ziemlich sicher, dass unsere Vorfahren zu dieser Zeit von einem dichten Haarkleid bedeckt waren. Die Haut darunter war wahrscheinlich hell – wie bei den heutigen Schimpansen.
Klimawandel verändert die Hautfarbe
Im Laufe der Zeit wurde das Klima heiß und trocken. Die Urmenschen reagierten auf diese wärmere Umwelt und passten sich an: Sie verloren ihr dichtes Fell. Doch die darunterliegende helle Haut führte zu weiteren Problemen. Die UV-Strahlen der Sonne durchdringen sie leicht. Dabei richten sie nicht nur Schäden in den oberen Zellschichten an, sondern dringen tiefer und zerstören auch die Folsäure im Blut. Dieses Vitamin verhindert, dass bei Zellen, die sich häufig teilen, Fehler ins Erbgut eingebaut werden. Eine Mutter mit Folsäure-Mangel kann kaum ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Der beste Schutz gegen diese schädliche Wirkung der UV-Strahlen ist eine dunkle Haut. Nachdem unsere Vorfahren also ihr Fell in den heißen Savannen Afrikas verloren hatten, war eine stärkere Pigmentierung die nächste Anpassungsstrategie.
Warum gibt es unterschiedliche Hautfarben?
Für Nina Jablonski stellt sich dadurch eine andere Frage: Wenn Folsäure so wichtig ist, warum haben dann nicht alle Menschen eine dunkle Haut? Dass sich in anderen Teilen der Welt ein heller Teint durchgesetzt hat, kann kein Zufall sein – also müssen Menschen mit heller Haut dort einen Vorteil haben. Doch welchen?
Eine Antwort liefert die jüngere Geschichte: Zur Zeit der Industrialisierung liegen Europas Städte unter einer dichten Rußdecke – es dringen wenig Sonnenstrahlen bis zum Erdboden durch. Zur gleichen Zeit häufen sich Fälle von Rachitis, einer Krankheit, die durch Vitamin D-Mangel ausgelöst wird und verursacht, dass Kinder keine festen, stabilen Knochen ausbilden. Funktionsfähiges Vitamin D kann unser Körper allerdings nur mit Hilfe von Sonnenlicht herstellen. "Unsere Vorfahren mit sehr dunkler Hautfarbe hätten nie in den nördlichen Breiten überleben können. Die Pigmentierung hätte verhindert, dass bei wenig Sonne genug Vitamin D produziert wird", sagt Michael Holick, Biophysiker an der Boston University School of Medicine. Wachstumsstörungen, Fehlgeburten und Muskelschwäche wären die Folge gewesen. Ein Überleben in weiterer Entfernung vom Äquator war somit unweigerlich damit verbunden, dass die Haut unserer Vorfahren heller werden musste.
Hell oder dunkel – eine Frage der Anpassung
Nina Jablonski macht eine weitere Beobachtung, die ihre These unterstützt: Säuglinge haben überall auf der Welt eine hellere Haut als etwas ältere Kinder. Diese wiederum sind heller als Ihre Mütter. Ihre endgültige Hautfarbe entwickelt sich erst in der Pubertät. Denn im Kindesalter brauchen Kinder mehr Vitamin D für ein gesundes Wachstum, also muss ihre Haut im Vergleich zu späteren Lebensjahren mehr UV-Licht durchlassen. Kommen Mädchen allerdings in ein Alter, in dem sie sich fortpflanzen können, also in die Pubertät, dann schützt eine dunklere Haut vor der Zerstörung der Folsäure, die sie benötigen, um gesunde Kinder zur Welt zu bringen.
Diese Zusammenhänge, die Nina Jablonski herstellt, zeigen: Die Hautfarbe ist keine Frage der Rasse, sondern vielmehr eine Frage der Anpassung.
Autor: Marco Visalberghi (WDR)
Stand: 05.08.2015 11:24 Uhr