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Eine senkrechte Wiese - die grüne Fassade

Die Wand eines Pariser Museums
Die Pariser Wand ist ein lebendiges Kunstwerk. | Bild: HR

Eine Hausfassade - einmal anders. An der Wand des Museums am Quai Branly in Paris pulst das Leben. Im Jahr 2005 hat der französische Botaniker Patrick Blanc in der Nähe des Eifelturms dieses lebendige Kunstwerk erschaffen und damit einen Trend gesetzt. Die ersten Versuche mit seinen Pflanzenwänden startete Patrick Blanc in der eigenen Wohnung, inzwischen begrünt er Wände auf der ganzen Welt. Bei seinen grünen Fassaden wachsen die Pflanzen in einem Vlies, das zwischen zwei Hartschaummatten eingeklemmt ist. Es dient den Pflanzen als Wurzelraum. Das Wasser sickert zusammen mit dem Flüssigdünger durch den Stoff und versorgt so die Gewächse. Ein erfolgreiches Konzept, die begrünten Wände von Patrick Blanc sind echte Augenweiden. Inzwischen sind vertikale Gärten Mode geworden - nicht nur in Frankreich.

Senkrechte Wiesen in Wien

Eine begrünte Fassade in Wien
In Wien wurde die Fassade des Abfallamtes begrünt. | Bild: HR

Auch in Wien wächst nach Pariser Vorbild eine grüne Fassade. Das Hauptgebäude des Wiener Abfallamtes, die sogenannte MA 48, ist seit einem Jahr begrünt. Grasnelken, Lavendel, Thymian und Schafgarbe erstrecken sich bis in den fünften Stock, Schmetterlinge und andere Insekten bewohnen diesen ungewöhnlichen Standort anstelle einer Magerwiese. Für die Stadtverwaltung war diese Art der Fassade ein Risiko, denn Langzeiterfahrungen mit Grünfassaden gibt es nicht. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war der Wunsch nach mehr Grün in der Stadt - und das Bestreben, Energie zu sparen.

Ist eine Grünfassade ökologisch sinnvoll?

Granulat in einem Alumunium trog
Die Pflanzen wachsen in Metalltrögen mit Tongranulat. | Bild: HR

Ob diese Erwartungen durch die Fassade erfüllt werden können, erforscht die Universität für Bodenkultur in Wien. Die erste Frage war, welches System für das fünfstöckige Wiener Abfallamt geeignet ist. Eine Konstruktion wie in Paris kam für die fünfstöckige Fassade nicht in Frage. In dieser Höhe konnte die Sicherheit und Witterungsbeständigkeit der Konstruktion nicht garantiert werden. Deswegen empfahlen die Wissenschaftler Metalltröge. Gefüllt sind die Tröge mit Tongranulat, ein grünes Vlies schützt vor zu starken Temperaturschwankungen. Gegossen wird über einen Tropfschlauch, der oberhalb der Tröge angebracht ist. Hinter den Trögen ist ein durchlüfteter Spalt. Dadurch wird einerseits das überflüssige Wasser abgeführt, andererseits isoliert dieses Luftpolster das Gebäude.

Schutz vor Hitze im Sommer

Aufnahme einer Wärmebildkamera
Die Wärmebildkamera zeigt: Die begrünte Fassade ist kühler. | Bild: HR

Die Untersuchungen der Universität für Bodenkultur ergeben: Die grüne Fassade an der MA 48 schützt vor Hitze. Misst man an einem warmen Tag mit 25 Grad Celsius Lufttemperatur die Abstrahlung der Fassade mit einer Wärmebildkamera, wird diese Leistung deutlich. Während die Wand des Nachbarhauses bis zu 40 Grad Celsius heiß ist, hat die begrünte Fassade nur 28 Grad Celsius. Das spart die Klimaanlagen im Gebäude und ist auch gut für das Klima in der Stadt. Immerhin verdunsten die Pflanzen an der gut 800 Quadratmeter großen Fassade an einem heißen Tag etwa 1.800 Liter Wasser. Das ist etwa das, was vier große, ausgewachsene Buchen an einem Tag verdunsten. Und die Kühlleistung entspricht fast 50 mittelgroßen Kühlgeräten, wenn sie acht Stunden am Tag laufen. Diese Abkühlung der Luft ist für eine Stadt wie Wien sehr wichtig. Denn im Zuge des Klimawandels werden sich die Metropolen weiter erwärmen.

Wärmedämmung im Winter

Die Metalltröge an der Hauswand
Scheinbar wirken die Pflanzen dämmend. | Bild: HR

Und was bringt diese Fassade im Winter? Im November blühen einige der fast 16.000 Pflanzen bereits zum zweiten Mal, weil in den Trögen ein für sie angenehmes Klima herrscht. Wirkt sich das auch auf das Innere des Hauses aus? Für das Abfallamt der Stadt Wien ist das eine interessante Frage, denn die Investition von knapp 400.000 Euro soll sich zum Teil durch Energieeinsparung amortisieren. Wärmesensoren unter dem Putz der Fassade geben darüber Aufschluss. Die Sensoren sind jeweils hinter der begrünten und der nackten Fassade angebracht.

Die Messergebnisse sind vielversprechend: Bei einer Außentemperatur von 11 Grad Celsius finden die Forscher hinter der Grünwand eine Temperatur von 14 bis 15 Grad Celsius. Das heißt, die Wärmeverluste hinter der Grünwand sind deutlich geringer als dort, wo die Fassade ungeschützt ist.

Wie sich diese Wärmedämmung genau auf den Gasverbrauch auswirkt, kann das Abfallamt noch nicht sagen. Denn bislang gibt es für die verschiedenen Häuser nur einen Gaszähler. Wie viel die neue Fassade des Hauptgebäudes tatsächlich einspart, ist daher noch unklar. Aber ein weiterer Zähler ist geplant. Jedoch unabhängig von der genauen Dämmleistung: Eine begrünte Fassade ist eine Attraktion und belebt die graue Stadtlandschaft.

Adressen

Universität für Bodenkultur Wien
Bernhard Scharf
Peter Jordan-Straße 82
A-1190 Wien
Österreich

Autorin: Jutta Henkel (BR)

Stand: 28.05.2012 22:00 Uhr

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