So., 11.12.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Forschung in der Antarktis
Da schmilzt das Herz des versierten Polarforschers dahin - Schnee und Eis, wohin man blickt. Professor Heinrich Miller, stellvertretender Leiter des Alfred-Wegener-Institutes für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, reist zwar nicht zum ersten Mal in die Antarktis. Doch allein schon der Flug dorthin ist immer wieder ein Abenteuer. Zuerst geht es von Hannover aus über Frankfurt nach Kapstadt. Ein Spezialflugzeug, eine Iljuschin, bringt den Polarforscher und sein Team nach Novolazarevskaya, eine russischen Forschungsstation in der Südpolarregion. Von hier aus geht die Reise mit einem alten Flugzeug vom Typ Douglas DC-3 weiter, bis sich nach vier langen Reisetagen endlich unten das Ziel zeigt: die Neumayer-III-Station.
Wohnräume und Labors am Ende der Welt
Die Forschungsstation liegt mitten im Ekström-Schelfeis in der Atkabucht des Weddellmeeres. Vor drei Jahren wurde sie eingeweiht. Während der arktischen Sommermonate Dezember, Januar und Februar leben hier bis zu 40 Personen. Wissenschaftler betreiben ihre Feldforschungen, Ingenieure und Service-Arbeiter erledigen Wartungsarbeiten. Die harten klimatischen Bedingungen zehren an der komplexen Technik.
Doch wenn Ende Februar der letzte Polarflieger abhebt, bleibt nur die siebenköpfige Stammmannschaft zurück - ganz auf sich gestellt, denn das Wetter ist in den Wintermonaten am Südpol so rau, dass kein Flieger mehr hinkommt.
Wichtige Forschung in der Antarktis
Für die Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts ist die Antarktis wie ein offenes Buch. Unter Jahrtausende altem Eis finden sie Erkenntnisse über die Vergangenheit und die Zukunft unseres Planeten. Wie wird es weitergehen mit unserem Klima? Wie werden sich die Magnetfelder unserer Erde verschieben? Dafür werden auf der Neumayer III-Station wertvolle Daten gesammelt.
Die einzelnen Observatorien liegen außerhalb der Station, damit die Messergebnisse durch den Stationsbetrieb nicht beeinflusst werden. Wichtig zum Beispiel für das sogenannte Spurenstoff-Observatorium, denn hier werden minimale Luftverunreinigungen gemessen.
Acht Meter unter der Schneeoberfläche sammeln die Forscher Daten über das Erdmagnetfeld. Es schützt uns vor zu viel kosmischer Strahlung, zuweilen sichtbar als Polarlicht. Die hier durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass die Intensität des Erdmagnetfeldes sich abschwächt. Sollte sich dieser Prozess fortsetzen, wäre menschliches Leben auf der Erde ernsthaft gefährdet.
Innovativ: die Stelzen-Konstruktion
Bereits seit 30 Jahren betreibt das Alfred Wegener Institut in der Antarktis eine Station. Frühere Stationen wie etwa Neumayer II wurden seinerzeit noch ins Eis gebaut, um sie vor Wind und Wetter zu schützen. Doch die Betriebsdauer war begrenzt. Die Konstruktionen sackten im Laufe der Jahre mehr und mehr ab. Sie verformten sich unter dem Druck der Eismassen und wurden unbewohnbar.
Neumayer III ist oberirdisch gebaut. Um zu verhindern, dass die Station wie ihre Vorgänger im Eis versinkt, haben sich die Ingenieure etwas ganz besonders Raffiniertes ausgedacht. Sie entwickelten eine Stelzen-Konstruktion, mit der sich das Gebäude bei Bedarf anheben lässt. Das Hebemanöver geschieht durchschnittlich zweimal im Jahr.
In einem ersten Arbeitsgang werden dabei die 16 Stelzen hydraulisch ausgefahren, so dass sich das Gebäude um circa 1,20 Meter anhebt. Danach werden die Fußplatten paarweise hochgezogen, um sie mit Schnee zu unterfüttern. Das dauert mehrere Tage und verwandelt den Keller der Station in eine Großbaustelle. Mit Hilfe einer Fräse blasen die Männer kubikmeterweise Schnee in die Lücke und lassen ihn aushärten. Erst wenn die Konsistenz es zulässt, senken sie die Platten langsam wieder ab. Schließlich soll der 260 Tonnen schwere Koloss auf festem Grund stehen und mindestens weitere 25 Jahre Forschungsarbeit gewährleisten.
Die Wissenschaftler sind froh über ihre Station Neumayer III. Denn über der Erdoberfläche, mit Blick auf die schnell wechselnden Lichtstimmungen der Antarktis, lässt es sich ja doch viel angenehmer forschen als in den unterirdischen Röhrensystemen der Vorgängerstationen. Zumal sich vor den großzügigen Fenstern sogar gelegentlich ein Pinguin zeigt.
Autor: Manfred Studer (NDR)
Stand: 31.10.2014 14:42 Uhr