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Hochwasserschutz durch Rheinauen

Schnecken auf einem Ast
Rette sich, wer kann! Schnecken finden auf einem Ast Schutz vor dem Hochwasser | Bild: SWR

Die tierischen Anrainer brauchen einen Rettungsanker: Wenn der Rhein mal wieder über die Ufer tritt, suchen sich Bodenbewohner schnell ein Stück Holz als Floß. Ameisen klammern sich an einem Grashalm fest.
Doch am Oberrhein ist das gewollt: Ökologische Flutung wird diese künstliche Überschwemmung genannt, bei der das Rheinwasser kontrolliert aus dem Fluss in die umgebende Landschaft abgelassen wird. So können am Oberrhein wieder Auenlandschaften entstehen – wie es sie früher auch gab. Insgesamt soll die Natur vom sogenannten "Integrierten Rheinprogramm" profitieren.

Gerader Rhein = gefährlicher Rhein

Alte Karte vom Rheingebiet
Früher war der Rhein reich verzweigt und konnte sich ausbreiten | Bild: SWR

Vor allen Dingen der Mensch soll von den ökologischen Flutungen Vorteile haben, denn sie sollen den Hochwasserschutz fördern. Das Korsett aus starren Deichen zwingt den Rhein in gerade Bahnen und soll den Menschen eigentlich vor Überschwemmungen schützen. Doch es fördert das Hochwasser eher - weiß man heute. Vor der Rheinbegradigung hatte der Rhein einfach mehr Platz: In Schlaufen wand er sich durchs Land, außerdem hatte er natürliche Überschwemmungsflächen. Der Rhein führt also so viel Wasser wie früher, gepresst in eine kleinere Form. Das kann nicht gut gehen. Kommen Tauwetter und Regen zusammen, können die normalen Deiche den Naturgewalten einfach nicht immer standhalten, das hat die Vergangenheit gezeigt. Dazu kommt noch der Klimawandel, durch den Wetterphänomene wie Starkregen häufiger werden.

Der Plan: Schleusen auf!

Luftaufnahme von Rhein
Der begradigte Rhein – an 13 Stellen soll er über die Ufer treten dürfen | Bild: SWR

Große Städte am Oberrhein wie Karlsruhe, Mannheim und Ludwigshafen sind stark gefährdet, ein Hochwasser könnte Schäden bis zu sechs Milliarden Euro anrichten, schätzt man. Deshalb der Plan: Von Basel bis Mannheim sollen 13 Überschwemmungsgebiete geschaffen werden. An drei Stellen ist das umgesetzt worden, eine davon ist bei Kehl: In der Steuerzentrale des Kulturwehrs Kehl wird der Zustrom kontrolliert und reguliert. Erst, wenn der Wasserstand einen gewissen Pegel erreicht hat, kann der Einlass geöffnet werden. Mindestens zwei Mal im Jahr gibt es hier so gewollt Hochwasser.

Die Natur muss sich vorbereiten

Silberweiden im Überschwemmungsgebiet
Silberweiden kommen mit Hochwasser sehr gut zurecht | Bild: SWR

So oft sollte die Fläche auch überschwemmt werden, denn die Natur muss sich für den Fall der Fälle eines echten Hochwassers schon an den feuchten Zustand gewöhnt haben. Der größte Teil der Polder ist mit Wald bedeckt. Steht der nur trocken, wird aus einem typischen Auwald nämlich ein Laubwald mit Bäumen, die ein Hochwasser nicht gut aushalten.
Silberweiden dagegen haben mit Hochwasser kein Problem und sind typische Auwaldbäume. Sie können sogar 300 Tage im Jahr mit den Füßen im Wasser stehen. Andere halten es immerhin 100 Tage aus, Ulmen und Eichen zum Beispiel. Durch die regelmäßigen Flutungen werden die Pflanzen und Bäume gefördert, die das Wasser vertragen.

Ein Paradies für Eisvögel & Co.

Eisvogel
Der seltene Eisvogel fühlt sich in Auengebieten wohl | Bild: SWR

Wer hoch oben lebt, hat vor dem Wasser sowieso nichts zu befürchten. Spechte und Schwarzmilane sind typische Bewohner des Auwalds. Auch für den Eisvogel sind die Polder ein regelrechtes Paradies: Durch die Kraft des Wassers können immer wieder neue steile Uferwände entstehen. Eisvögel graben ihre Bruthöhlen in solche Steilwände. Außerdem finden sie hier reichlich Beute, denn es gibt viel Fisch. Besonders Barben und Nasen, zwei zu den Karpfen gehörende Fische, entwickeln sich in den Überschwemmungsgebieten gut. Denn sie laichen nur in sauberem, gut durchgespültem Kies. Und wo wenn nicht in den Poldern wird das Bachbett regelmäßig geputzt?

Die Projektumsetzung zieht sich

Überflutetes Waldgebiet
Überflutete Wälder - bis das Projekt umgesetzt ist, kann es noch dauern | Bild: SWR

Auch die Menschen am Rhein haben von den bisher bestehenden Poldern schon profitiert. 1999 haben die beiden Rückhaltebecken bei Altenheim und Kehl gerade noch das Schlimmste verhindert, sagen Befürworter des Polder-Projekts. 24 Zentimeter höher wäre das Hochwasser ohne die Überschwemmungsgebiete gestiegen. So konnten Karlsruhe und Speyer vor der Katastrophe bewahrt werden.
Doch die Umsetzung der anderen Überschwemmungsgebiete zieht sich. Große Verbände wie der BUND stehen hinter dem Projekt, doch andere Naturschützer glauben, dass die Überflutungen die Natur mehr zerstören als ihr zu nützen. Auch Lobbygruppen und Gemeinden bremsen das Projekt. Und die Bewohner fürchten sich vor einem erhöhten Grundwasserspiegel und feuchten Kellern, wenn die Polder geflutet werden. Dafür sind allerdings Pumpwerke installiert worden, die wohl auch zuverlässig arbeiten.
Bis alle 13 Polder und Wehre fertig gestellt sind, wird es wohl noch Jahre dauern. Aber erst dann ist der Hochwasserschutz wirklich gewährleistet, sagen die Befürworter des Polder-Projekts. Und zwar im Einklang mit der Natur.

Autoren: Günther Bludszuweit, Sarah Weiss (SWR)

Stand: 10.11.2015 14:40 Uhr

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