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Schifffahrt ahoi!

Wenn der Traktor auf dem Rhein fährt

Ein Schiff wird mit Traktoren beladen
18.000 Traktoren werden in Mannheim verladen | Bild: SWR

Der Rhein ist heute auf 833 Kilometer schiffbar und eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt. Beispiel: Rheinhafen Mannheim. Er ist einer der bedeutendsten Binnenhäfen Europas. 2010 wurden hier 7,64 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen. Tendenz steigend. Um die 10.000 Container werden monatlich abgefertigt.

Der Mannheimer Hafen hat sogar ein RoRo-Terminal (RoRo: Roll on Roll off). Das bedeutet, dass bewegliche Güter wie Traktoren, Mähdrescher und Feuerwehrautos direkt an Deck von Spezialschiffen fahren können. Binnen weniger Stunden transportieren sie die schweren Maschinen bis nach Holland oder England - 18.000 Traktoren pro Jahr reisen von hier aus über den Rhein weiter zu ihrem Bestimmungsort. Zum Vergleich: Ein LKW kann nur vier Traktoren laden und braucht für die Strecke auf der Autobahn die gleiche Zeit. Der Rhein ist quasi eine "schwimmende Landstraße" bis zum Meer. Doch das war nicht immer so.

Der gerade Rhein: eine Maßnahme gegen die Fluten

Eine historische Karte zeigt die damals geplante Begradigung
Eine historische Karte zeigt die damals geplante Begradigung | Bild: SWR

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Mannheimer Hafen "Endstation", denn die Passage bis Basel war nicht befahrbar. Die Situation veränderte sich drastisch durch eine der größten Baumaßnahmen, die Europa je gesehen hatte: die Rheinkorrektur durch Johann Gottfried Tulla. Obwohl die Rheinschifffahrt heute das augenfälligste Erbe der Begradigung ist, war sie nicht das wichtigste Ziel. In erster Linie ging es darum, die verheerenden Überschwemmungen zu verhindern, die die Dörfer am Rhein regelmäßig heimsuchten. Der Fluss folgte nämlich damals nicht einem klar festgelegten Bett, sondern er wanderte. Die Rheinschlaufen und Rheinarme änderten ständig ihren Verlauf. Die Bewohner der Region konnten sich nicht sicher sein, ob der Rhein sich nicht bald seinen Weg durch ihr Wohnzimmer suchen würde.

Zeugen der Vergangenheit

Ein Haus in Daxlanden
Die Bewohner von Daxlanden bei Karlsruhe bauten ihre Ortschaft mehrmals weiter weg vom Fluss auf | Bild: SWR

Die Schrecken der Fluten beschrieb auch Johann Wolfgang von Goethe in seiner Ballade "Johanna Sebus" - nach der wahren Geschichte einer jungen Frau, die bei der Rheinflut 1807 alte und hilflose Menschen retten wollte, und dabei das eigene Leben verlor:

Dann nehmen die schmeichelnden Fluten sie auf."
Noch einmal blickt sie zum Himmel hinauf,
Kein Schifflein schwimmet zu ihr heran.
Rings um sie her ist Wasserbahn,
...
Die Fluten spülen, die Fläche saust.
"Der Damm zerreißt, das Feld erbraust,

Ein historisches Zeugnis, dass man bis heute ansehen kann, ist das kleine Dorf Daxlanden bei Karlsruhe. Es steht heute an seinem dritten Standort, denn zweimal rissen die leidgeprüften Bewohner ihre Fachwerkhäuschen ab, luden sie auf Ochsenkarren und flohen vor einem wandernden Mäander.

Mit Waffengewalt zum ersten Spatenstich

Gedenktafel
Ein Gedenkstein erinnert an den ersten Spatenstich in Knielingen | Bild: SWR

Erste Pläne zur Begradigung lagen 1809 vor. Die Vorarbeiten waren gewaltig: Ohne Luftbilder und digitale Methoden musste der gesamte Lauf des Rheins vermessen werden. Das hatte auch politische Konsequenzen, denn Landesgrenzen zwischen Frankreich und Deutschland und Bayern und Baden mussten neu definiert werden.

Der erste Spatenstich bei Knielingen in der Nähe von Karlsruhe führte 1817 zu starken Unruhen in der Bevölkerung. Die Bauern fürchteten um ihre angestammten Fischgründe und ihr Weideland und stellten sich den Bautrupps mit Heugabeln und Sensen entgegen. Sie mussten von der Polizei mit Waffengewalt vertrieben werden.
Rund 800 Bauarbeiter rückten an. Schweres Gerät wie Bagger gab es damals noch nicht, die Erde musste mit Schaufeln und Pferdefuhrwerken bewegt werden. Darum setzte man an den Schlaufen nur kleine Durchstiche, durch die sich das Wasser den Weg selber bahnte und so die Rheinschleifen einfach abschnitt.

Mit dem Simulator in die Zukunft

Der Simulator des Bundesanstalt für Wasserbau
Mit dem Simulator der Bundesanstalt für Wasserbau können die Forscher einen Blick in die Zukunft werfen | Bild: SWR

Seit der Rheinkorrektur und der Erfindung der Dampfschifffahrt hat die Bedeutung des Rheins als europäische Schiffstraße ständig zugenommen. Es werden nicht nur immer mehr Schiffe. Die Kähne und Verbünde werden auch immer länger - eine logistische und technische Herausforderung. Wie man jetzt und in Zukunft damit umgehen kann, damit beschäftigen sich Experten von der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe. Ein hochmodernes Instrument zur Bewertung und Analyse verschiedenster Situationen ist der Schifffahrtssimulator.

Naturgetreu und maßstabsgerecht können hier Flussabschnitte und Situationen nachgestellt werden. Flussschiffe sind bislang die sichersten Verkehrsmittel der Welt. Damit dies bei der steigenden Auslastung auch so bleibt, analysieren die Experten Havarien - wie beispielsweise das Unglück bei St. Goar im Januar 2011. Der Simulator kann Wetterbedingungen, Nachtsicht, Strömung und Wellenschlag nachbilden. Und man kann sehen, wie ein Mensch auf der Brücke darauf reagiert. Firmen können mit Plänen für zukünftige Schiffe anfragen und das virtuelle Modell mit realen Parametern testen.

Mehr Technik für mehr Sicherheit

Zwei große Schiffe fahren um eine Biegung
Die Simulation zeigt, dass Binnenschiffe nicht immer länger werden können | Bild: Bundesanstalt für Wasserbau

Zentrale Leitstellen ähnlich wie Flugzeugterminals gibt es für Schiffe nicht, bislang kommunizieren die Häfen untereinander. In Zukunft sollen die immer länger werdenden Frachtkähne aber verstärkt mit Technologien ausgestattet werden, die das Manövrieren erleichtern. Das soll zum Beispiel mit Hilfe von Transpondern funktionieren. Jedes Schiff funkt damit Informationen über sich - wie Größe und Geschwindigkeit - in die Umgebung. Die Schiffsführer bekommen so automatisch wichtige Angaben über entgegenkommende Kähne, bevor sie sie sehen oder auf dem Radar haben.
Da die Wasserstraßen umweltfreundlichere Transporte erlauben als die Straße, wird die Auslastung noch zunehmen. In Mannheim wird demnächst kräftig ausgebaut. Das alles hätte sich Johann Gottfried Tulla nicht träumen lassen!

Adressen

Bundesanstalt für Wasserbau
Kußmaulstr. 17
76187 Karlsruhe

Autorin: Tamara Spitzing (SWR)

Stand: 06.08.2015 14:52 Uhr

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