So., 04.09.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Lupine statt Rind
Eine Superpflanze?! Zumindest ist die Lupine recht anspruchslos, was den Ackerboden angeht. Außerdem enthält sie enorm viel Eiweiß, Mineralien und Ballaststoffe – und ist dabei auch noch fettarm. Und trotzdem kennt kaum einer die Hülsenfrucht.
Florian Wild und Daniela Sußmann vom Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik in Freising haben mit der Lupine noch viel vor. Sie haben fettarme Produkte wie Leberwurst und Pralinen auf Lupinenbasis entwickelt. Sie experimentieren mit Lupinen als Fleischersatz. Mit dieser Pflanze wollen sie die Lebensmittelindustrie revolutionieren.
Die Lupine führte bisher eher ein Schattendasein: Die Wildblume, die ursprünglich aus Südamerika stammt, ist eigentlich giftig. Aber seit 1930 wird sie so gezüchtet, dass die Pflanze die giftigen Bitterstoffe, die sogenannten Alkaloide, nicht mehr bildet. Diese gezüchtete Süßlupine ist durchaus für den Verzehr geeignet. Es wird Zeit, dass sie auf unserem Speiseplan ihren Platz findet.
Umweltfreundlicher und gesünder als Fleisch
Was dem Siegeszug dieser Pflanze im Wege steht? Die Menschen essen eben gern Fleisch. Es ist lecker, derzeit billig und vor allem sehr schnell zubereitet: Steak rein in die Pfanne, würzen, fertig. Wer denkt schon daran, dass man auf der gleichen Fläche, die man braucht, um ein Kilo Fleisch zu produzieren, stattdessen 120 Kilo Karotten oder 80 Kilo Äpfel hätte produzieren können?
Etwa 31 Kilo Fleisch isst der Deutsche im Jahr. Die Folge: Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn ein Teil des tierischen Fetts durch pflanzliche Eiweiße ersetzt werden könnte, wäre damit allen geholfen. Dem Verbraucher, weil er weniger Fett isst. Und der Umwelt, weil die Erzeugung von Pflanzen nachhaltiger ist als die von Fleisch.
Der Lupinenanbau hat viele Vorteile
Nicht alle Pflanzen eignen sich als Ersatz für tierische Rohstoffe. Doch Hülsenfrüchte wie Lupine, Soja, Bohnen oder Erbsen kommen mit ihrem hohen Eiweißgehalt durchaus als Fleischersatz in Frage. Und im Gegensatz zu der oft gentechnisch veränderten Sojabohne muss man Lupinen nicht importieren, denn die Pflanze wächst auch bei uns: auf sandigen, kargen und trockenen Böden. Sie holt mit Hilfe von Bakterien in ihren Wurzeln den Stickstoff aus der Luft und bindet ihn. Überschüssigen Stickstoff scheidet sie über ihre Wurzeln wieder aus und reichert somit den Boden an. Sie braucht keinen Dünger, wirkt aber wie Dünger für die Böden! Mit ihren tiefen Wurzeln lockert sie zudem das Erdreich auf. Eine wahre Wellness-Kur für jeden Boden.
Pralinen mit nur acht Kilokalorien!
Eine herkömmliche Praline hat etwa 40 Kilokalorien. Herkömmliche Leberwurst hat etwa 35 Prozent Fett. Fettarme Produkte sind oft bröselig und hart, denn Fett macht Pralinen cremig und Leberwurst streichfähig. Die Lupinemasse, an der die Fraunhofer Forscher arbeiten, lässt sich wie ein Fettersatz in Pralinen oder Leberwurst verwenden. Daniela Sußmann hat ein spezielles Produktionsverfahren entwickelt, um aus den Lupinensamen eine Eiweißmasse zu gewinnen, die eine sehr cremige Textur aufweist. Diese lässt sich in Leberwurst verarbeiten, die genauso gut schmeckt wie das Original, aber einen entscheidenden Unterschied hat: Sie hat nur drei Prozent Fett. Auch Pralinen stellt die Forscherin mit dieser Eiweißmasse her, die wirklich nur acht Kalorien haben, aber so cremig schmecken wie herkömmliche Pralinen. Die gute Nachricht: Eine Supermarktkette und ein großer Schokoladenhersteller sind an diesen Produkten interessiert.
Florian Wild hat eine Lupinenpresse entwickelt, die einem Fleischwolf ähnelt. Er will der Lupinenmasse eine Fleischtextur verleihen. Sie soll faserig und gleichzeitig saftig werden. Wenn man hineinbeißt, denkt man an ein saftiges Stück Fleisch, nicht an ein Pflanzenprodukt.
Ein idealer Fleischersatz
Kalorienarm, fettarm, rein pflanzlich, laktose- und cholesterinfrei – nicht unbedingt Begriffe, die man mit Leberwurst, Pralinen oder Fleisch in Verbindung bringen würde. Die Zielgruppe für diese Produkte ist sehr groß. Zum einen sollen damit Menschen angesprochen werden, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten, aber die saftige und faserige Textur von Fleisch nicht missen wollen. Besonders sollen aber Vegetarier und Veganer von der Lupine profitieren. Denn die Lupine liefert mehr Eiweiß als die meisten anderen Pflanzen, und auf die Eiweißzufuhr sollte man bei einer vegetarischen Ernährung achten.
Der Münchner Chefkoch Peter Ludik hat in seinem Restaurant Max-Pett in München für W wie Wissen ein Lupinen-Gericht kreiert. Etwas süßlich schmeckt die Süßlupine im Rohzustand noch. Aber mit den richtigen Gewürzen verschwindet dieser Geschmack und macht Platz für ein eher nussiges Aroma. Schmeckt fast wie Fleisch, hat auf jeden Fall so viel Eiweiß wie Fleisch, ist aber keins. Die Lupine macht’s möglich!
Lupinen-Rezept
Pikante Lupinen-Pfanne von Peter Ludik:
Zutaten (für zwei Personen):
2 Lupinenfilets, 2 Paprika, 2 Frühlingszwiebeln, 1 Zucchini, etwas Olivenöl, ¼ Liter Weißwein, 1 rote Zwiebel, 8–10 Cocktailtomaten, Rosmarin, Salbei, 200 g Orechiette (Pasta-Art)
Zutaten schneiden, in heißem Olivenöl anbraten, mit Rosmarin, Salbei, Pfeffer und Salz würzen, Weißwein hinzu.
Während dessen Nudeln in heißem, leicht gesalzenem Wasser kochen und am Schluss zu den anderen Zutaten in die Pfanne geben.
Mit etwas Salat als Beilage servieren.
Literatur
Tiere Essen
Jonathan Safran Foer
Kiependheuer & Witsch
399 Seiten
Autorin: Nicoletta Renz (BR)
Stand: 05.11.2015 14:06 Uhr