So., 11.09.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Mit Vorratsdatenspeicherung gegen Terror
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 suchen Geheimdienste die Drahtzieher und überwachen unzählige E-Mail-Verbbindungen, Websites und Bewegungsprofile von Handys. Tatsächlich zeichnet eine Drohne im September 2001 ein Satellitentelefonat Osama Bin Ladens auf. Doch danach geht der Terrorist einfach nicht mehr ans Telefon und kann sich trotz intensiver Überwachung und Aufklärungsflüge fast zehn Jahre lang in Pakistan verstecken. Der jetzige Al Kaida Chef Aiman az-Zawahiri und Taliban Chef Mullah Omar sind nach wie vor flüchtig und unauffindbar.
Osama Bin Laden oder Saddam Hussein, lange die meistgesuchten Männer der Welt, wurden durch Verrat oder Hinweise anderer Terroristen gefunden - nicht aber durch die pauschale Überwachung und Speicherung von Kommunikationsdaten. Trotzdem fordert seit 2006 eine Richtlinie der EU die Speicherung von Telekommunikationsdaten, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung.
Sechs Monate lang sollen Internetbewegungen und die Kennung von Computern,
die IP-Adressen, gespeichert werden, bei E-Mails außerdem, wer, wann, welche Mail an wen verschickt hat - nicht aber deren Inhalt. Dazu bei Telefonaten die Rufnummern, Datum und Uhrzeit, sowie bei Handys der Standort. So sollen sich terroristische Netzwerke leichter enttarnen lassen.
Geringer Nutzen
In Deutschland haben sich nach dem 11. September 2001 tatsächlich islamistische Terrorgruppen formiert. Sie heißen Islamische Dschihad-Union, Sauerlandgruppe oder Deutsche Taliban Mudschaheddin. Die Überwachung solcher Gruppen ist jederzeit auf Basis eines Ermittlungsverfahrens möglich. Einer Vorratsdatenspeicherung bedarf es dazu nicht.
Den geringen Nutzen belegen Statistiken. Nach Professor Hans-Jörg Albrecht vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg wurden bisher nur bei 0,2 Prozent aller Ermittlungsverfahren die vorrätig gespeicherten Daten überhaupt angefragt. Inwieweit die Daten dann genutzt wurden, ist genauso wenig bekannt wie überhaupt die Existenz eines Falles, bei dem die vorrätig gespeicherten Daten zu einer Verurteilung geführt hätten.
2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht das drei Jahre zuvor eingeführte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als verfassungswidrig. Seitdem darf nicht mehr auf Vorrat gespeichert werden – die Verfassungsrichter fürchteten den Missbrauch der Daten. Der Bundestag entwirft jetzt ein neues Gesetz, bei dem der Datenschutz stärker berücksichtigt werden soll.
Vorratsdatenspeicherung austricksen?
Meist rechnen Terroristen mit der Überwachung, wie die so genannte Sauerlandzelle. Die Gruppe wollte in Deutschland Anschläge verüben und wurde mittlerweile verurteilt. Mitglieder der Gruppe hatten sich auf eine Überwachung eingestellt.
Das hieß: anonym telefonieren aus der guten alten Telefonzelle, die Internetadresse des Computers mit speziellen Anonymisierungsprogrammen verfälschen und E-Mails von kostenlosen Providern wie GMX, AOL oder web.de anonym verschicken - am besten aus dem Internetcafe. So lässt sich die Überwachung umgehen. Terroristen und Einzeltäter verhalten sich meist auch allgemein unauffällig, wie der Anschlag in Oslo gezeigt hat. Durch die Vorratsdatenspeicherung, die im April 2011 in Norwegen eingeführt wurde, hat sich dieser Anschlag nicht verhindern lassen.
Autor: Harald Stocker (BR)
Stand: 06.11.2015 14:33 Uhr