So., 07.08.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Offshore-Aquakultur im Windpark
Aquakulturanlagen im Meer liegen üblicherweise in seichten Gewässern in der Nähe der Küsten. Hier sind die Käfige vor Wellengang, Strömung und Stürmen einigermaßen geschützt. Und praktisch ist es auch: Die Betreiber müssen keine weiten Strecken zurücklegen, um die Fische zu füttern und zu pflegen. Aber die Anlagen verursachen große Probleme: Sie verbauen Küstenregionen, und ihre Abwasser mit den Fäkalien der Fische, mit Futter- und Medikamentenresten belasten die austauscharmen Gewässer. Meeresbiologe Professor Bela Buck vom Institut für Marine Ressourcen in Bremerhaven ist deshalb sicher: "Die Zukunft liegt fernab der Küsten, die Aquakultur muss offshore gehen." Und damit meint er: weit hinaus aufs offene Meer.
Zukunft in der Gegenwart
Offshore-Aquakultur ist kein bloßes Gedankenspiel mehr, einige Anlagen gibt es bereits. Vorerst aber noch vereinzelt, in tropischen Gewässern. Eine davon ist die Snapperfarm von Brian O'Hanlon in Puerto Rico in der Karibik. Tausende Cobia-Fische leben hier in einem kugelförmigen Käfig, so groß wie eine Turnhalle. Die meiste Zeit verbringt die Fischkugel abgesenkt unter Wasser, so ist sie vor Stürmen und hohen Wellen geschützt. Nur zur Fütterung der etwa 70 Kilogramm schweren Barsche wird sie an die Wasseroberfläche geholt. Weil die Strömungen im offenen Meer wesentlich stärker sind als in den seichten Küstengewässern, verteilen sich die Fischfäkalien schneller und weiträumiger. Für die Umwelt soll Offshore-Aquakultur deshalb weniger schädlich sein als die Fischzucht an der Küste.
Dass es trotzdem erst wenige solche Anlagen gibt, liegt an den schwierigen Rahmenbedingungen auf hoher See. Die Strecken, die zur Fütterung der Fische und zur Pflege der Anlage zurückgelegt werden müssen, sind weit. Und die Technik, die es ermöglicht, Käfige weit draußen auch bei schwerem Wetter sicher zu verankern, ist teuer. Der Aufwand lohnt sich nur, wenn in den Anlagen sehr teure Fische gezüchtet werden, die in Gourmetrestaurants zu hohen Preisen verzehrt werden. In den deutschen Meeren sind jedoch keine Fische heimisch, die sich in Sushiqualität verkaufen lassen. Und trotzdem könnte Offshore-Aquakultur auch in Deutschland funktionieren, sagt Bela Buck, der sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt.
Schwierige Bedingungen in deutschen Gewässern
Um Offshore-Aquakulturanlagen in Deutschland rentabel zu machen, könnte man teure Edelfische in die deutschen Meere hängen, die hier nicht heimisch sind. Das ist jedoch verboten - aus gutem Grund, wie Bela Buck betont: "Das wäre viel zu gefährlich. Wenn diese Fische entkommen oder Krankheiten einbringen, könnte das den heimischen Fischbestand gefährden." Möglich ist die Aquakultur also nur mit Fischen, die ohnehin in Nord- oder Ostsee leben, mit Kabeljau vielleicht oder Schollen. Die lassen sich jedoch nicht zu so hohen Preisen verkaufen, dass sich die hohen Kosten einer Offshore-Anlage damit decken ließen. Da die Fische nicht wertvoller werden können, kann Offshore-Aquakultur in Deutschland also nur funktionieren, wenn der Betrieb der Anlage günstiger wird. Bela Buck hat eine Lösung für dieses Problem gefunden. Sie steht 90 Kilometer vor Borkum in fast 40 Meter tiefem Wasser: die Windkraftanlage BARD 1.
Strom und Fische
Stromerzeugung und Fischzucht an einem Ort zusammen zu bringen, könnte für die Aquakultur einen enormen Kostenvorteil bringen, glaubt Bela Buck. In den Windkraftanlagen gibt es bereits eine Infrastruktur, auf die die Fischzüchter aufsatteln könnten. Personal und Versorgungsschiffe sind ständig vor Ort und auch die Technik könnte helfen: Die Windräder von BARD stehen auf drei Beinen. Der Hohlraum dazwischen ist ungenutzt - noch. Denn Bela Buck könnte sich dort Käfige mit Fischen vorstellen, sicher angeheftet an das Fundament der Windmühle. Bei starken Strömungen und hohen Wellen wäre die Aquakulturanlage gut geschützt.
Die Ingenieure von BARD betrachten das Projekt noch mit Sorge: Windräder bei diesen Wassertiefen sicher zu verankern, ist ohnehin schon eine Herausforderung. Ein Fischkäfig wäre eine zusätzliche Last und böte zusätzliche Angriffsfläche bei Sturm und hohen Wellen. Andererseits würde die Kombination von Strom und Fisch dazu beitragen, den durch Windkraftanlagen verbauten Naturraum Meer effektiver zu nutzen. Und das hätte auch für die Windparkbetreiber große Vorteile, wie Guido Kumbartzky von BARD erklärt: "Es ist interessant zu untersuchen, ob es praktisch und technisch möglich ist, um damit vielleicht einen Vorteil zu gewinnen. Zum Beispiel, um die Betriebskosten zu senken." Wenn die Wirtschaftlichkeit von solchen Aquakulturen nachgewiesen wird, dann sinken auch die Betriebskosten für einen Windpark.
Kugel oder Zylinder?
Funktioniert das? Auch bei Sturm und hohen Wellen? Das untersuchen derzeit Dr. Nils Goseberg und sein Team vom Franzius-Institut in Hannover. Sie setzen Windrad und Fischkäfig extremen Bedingungen aus - allerdings im Maßstab 1:40 im Wellenkanal des Instituts. Das erste Käfigmodell im Test ist ein Zylinder, der mit Stahlseilen fest zwischen den Beinen der Windmühle verankert ist. Wenn die Welle ihn überspült, darf sich der Käfig nicht bewegen – das könnte sonst die ganze Konstruktion gefährden. Der Zylinder bietet einen großen Vorteil gegenüber anderen Käfigformen, wie der Kugel: "Er ermöglicht uns einfach, eine viel viel größere Anzahl an Fischen einzusetzen", erklärt Nils Goseberg. Trotzdem könnte sich am Ende der Versuche die Kugel durchsetzen: "Der Zylinder hat gegenüber einer Kugel eine größere Angriffsfläche und damit werden auch die Kräfte, die sich auf die Beine der Windkraftanlage übertragen, in Folge dieses Zylinders größer", sagt Nils Goseberg.
Die Messergebnisse der Ingenieure vom Franzius-Institut dürften mit darüber entscheiden, ob es Fischkäfige an Windrädern geben wird und falls ja, welche Form sie dann haben. Das wird allerdings noch einige Jahre dauern: "Ich gehe davon aus, dass wir noch drei bis vier Jahre brauchen, bis wir einen Pilotkäfig haben", sagt Bela Buck. Erst dann könnte es die erste Testanlage im offenen Meer geben.
Autorin: Christine Buth (NDR)
Stand: 19.03.2013 17:20 Uhr