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Superhirn Ameisenkolonie

Rote Ernteameisen
Die Rote Ernteameise lebt in Wüsten und Gebirgen im Südwesten der USA und in Mexiko. | Bild: WDR

Bis zu 12.000 Arbeiterinnen leben in den Kolonien der Roten Ernteameise in Arizona. Die einzelnen Ameisen sind völlig hilflos – als Kollektiv aber lösen sie komplexe organisatorische Probleme: Beispielsweise passen sie ihre Arbeitsorganisation perfekt an die ständig wechselnden Umweltbedingungen in der Wüste an. Die Ameisenforscherin Deborah Gordon hat einen raffinierten kollektiven Mechanismus entdeckt, der erklärt, warum sich an manchen Tagen Tausende, an anderen nur ein paar Dutzend oder gar keine Sammlerinnen auf Futtersuche begeben: Es ist der Geruch und ein primitiver Sinn für Zahlen, der hinter der komplexen Organisation der Roten Ernteameise steckt.

Konsequente Arbeitsteilung

Rote Ameisen mit grünem Samenkorn
Samenkörner sind die Hauptnahrung der Roten Ernteameise. | Bild: WDR

Anders als viele andere Ameisenarten lebt die Rote Ernteameise vegetarisch – ihre Nahrung besteht fast ausschließlich aus Pflanzensamen, die sie in der Wüste findet. Es ist aber nur ein Teil der Kolonie, der auf Futtersuche geht, denn in der Kolonie gibt es viele andere Aufgaben: Manche Ameisen halten das Nest in Ordnung, andere versorgen die Brut oder führen Reparaturarbeiten aus. Und es gibt Kundschafter, die das Gebiet um das Nest nach neuen Futterquellen sondieren, um dann denn Futtersucherinnen „Bescheid zu sagen“. Dabei ist die Kolonie aber keineswegs an jedem Tag gleich aktiv: Ob und wie viele Futtersucherinnen ausschwärmen, hängt davon ab, wie viel oder wenig Futter es gibt, ob Fressfeinde lauern oder ein Sturm die Futtersuche riskant macht.

Organisation ohne Organisator

Ameisenforscher in der Wüste Süd-Arizonas
Ameisenexperten von der Stanford University forschen in der Wüste Arizonas. | Bild: WDR

Die Ameisen-Kolonie ist perfekt organisiert. Das Erstaunliche aber ist, dass keine einzelne Ameise den Überblick über das Ganze hat. Das Gehirn einer Ameise ist winzig, sie nimmt nur ihre unmittelbare Umgebung wahr. Es gibt in der Kolonie kein Leittier, das den anderen Anweisungen erteilt. Selbst die Königin ist nur für den Nachwuchs zuständig, mit der Organisation der Kolonie hat sie nichts zu tun. Wie die Arbeitsteilung der Roten Ernteameisen trotzdem funktioniert und wie es die Kolonie schafft, sich ohne Leittier so effizient und flexibel zu organisieren, erforscht seit Jahren die Biologin Deborah Gordon von der Stanford Universität. Sie weiß, dass das Verhalten der Kolonie nur aus dem Verhalten der einzelnen Ameisen entstehen kann.

Die Kunst des richtigen Timings

Rote Ernteameisen
Bis zu 12.000 Arbeiterinnen leben in einer Kolonie der Roten Ernteameise. | Bild: WDR

Der Schlüssel zum Organisationstalent der Roten Ernteameise ist der Geruchssinn. Wie die meisten Ameisen ist sie blind und kommuniziert mit der "Nase", also mit ihren Fühlern. Mit Hilfe kleiner Kügelchen, die den Geruch verschiedener Ameisen tragen, hat die Biologin Deborah Gordon herausbekommen, dass es der Duft der Kundschafterinnen ist, der die Futtersucherinnen veranlasst, aus dem Nest zu kommen. Bevor sie das Nest verlässt, muss eine Futtersucherin also erst einer Kundschafterin begegnet sein. Aber der Geruch allein reicht nicht aus: Nur wenn die Kügelchen in einem bestimmten zeitlichen Abstand ins Nest rollen, nämlich alle zehn Sekunden, kommen die Futtersucherinnen aus dem Nest. Die Kolonie funktioniert also wie eine Art Rechenmaschine, die genau die richtige Anzahl von Futtersucherinnen kalkuliert.

Die Kolonie entscheidet, nicht die Ameise

Rote Ernteameisen an Nest
Nicht die einzelne Ameise denkt, sondern die Kolonie. | Bild: WDR

Durch diesen einfachen Mechanismus kann die Kolonie die Anzahl an Futtersucherinnen exakt an die jeweiligen Bedingungen in der Wüste anpassen. Begegnet eine wartende Futtersucherin zu wenigen Kundschafterinnen, heißt das, dass zu wenig Futter draußen herum liegt, der Aufwand sich also nicht lohnt. Strömen dagegen zu viele Kundschafterinnen zurück ins Nest, droht womöglich Gefahr, durch ein Raubtier oder einen Sturm. Erst wenn eine Futtersucherin im richtigen zeitlichen Abstand auf Kundschafterinnen trifft, setzt sie sich in Bewegung. Nicht die einzelne Ameise bestimmt, ob es ein guter Tag zur Futtersuche ist, es ist das Kollektiv, das hier die Entscheidungen trifft. Die Kolonie organisiert sich selbst, wie ein einziges großes Superhirn.

Autor: Jakob Kneser (WDR)

Stand: 18.11.2015 13:06 Uhr

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