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Tatort Apfelbaum

Ein Marienkäfer in einer Apfelblüte
Der Apfelbaum: ein friedlicher Ort? | Bild: SWR

Der Apfelbaum hat etwas vom Paradies: Blühende Streuobstwiesen im Frühjahr oder Apfelbäume mit verlockend roten Äpfel daran machen einen friedlichen Eindruck. Auch für Insekten bietet der Apfelbaum Nahrung im Überfluss - doch gerade deshalb ist es hier weitaus weniger friedlich, wie es vielleicht zunächst den Anschein hat. Ein genauer Blick zeigt: Profitgier und Mord sind an der Tagesordnung, zumindest unter den Sechsbeinern. Mit Spezialkameras werden die "grausamen Machenschaften" der Insekten sichtbar.

Mundraub: Diebstahl im Apfelbaum

Blattläuse
Blattläuse zapfen den Baum an und lassen sich mit seinem Saft volllaufen. | Bild: SWR

Blattläuse begehen zum Beispiel glatten Diebstahl! Sie pieksen mit ihrem Stechrüssel die Saftleitungen von Pflanzen ab. Der zuckrige Saft läuft quasi per Druckbetankung in Körper hinein. So klauen die Blattläuse dem Baum wertvolle Nährstoffe. Und das nur, um das meiste "hinten" wieder abzugeben. Denn auf den Zucker haben sie es gar nicht abgesehen - die Eiweiße im Pflanzensaft sind es, die die Blattlaus braucht. Mit einem Filter ziehen sie dich die Eiweiße raus und geben den Zuckersaft tröpfchenweise wieder ab. Wenn wir also unter Bäumen stehen und uns wundern, warum wir klebrige Tröpfchen abbekommen, sind die Blattläuse Schuld.

Blattläuse: bei lebendigem Leibe ausgesaugt!

Eine Raubwanze saugt eine Blattlaus aus
Mord im Apfelbaum: Die Raubwanze saugt die Laus bei lebendigem Leibe aus. | Bild: SWR

Doch die diebischen Blattläuse haben auch Feinde und werden oft selbst zum Opfer: Raubwanzen laben sich gerne an vollgetankten Blattläusen. Mit ihrem Stechrüssel bohrt sich die Wanze in den Blattlaus-Körper und saugt das Tier bei lebendigem Leib aus - bis nur noch eine Hülle übrigbleibt. Grausam anzuschauen, doch der Appetit der Wanzen hilft, die Armada von Blattläusen einzudämmen.
Und auch die Blaumeisen helfen, das Ökosystem Apfelbaum im Gleichgewicht zu halten und ziehen mit am selben Strang: Sie hängen oft an den Zweigen des Baumes und picken die grünen, sich volllaufenden Blattläuse vom Stängel.

Aber die Blattläuse lassen sich nicht so leicht unterkriegen: Sie haben einen Trick auf Lager, um nicht schon frühzeitig in der Saison unterzugehen. Sie klonen sich. Es erinnert an Science Fiction: Aus ihrem Körper kommen fertige Blattläuse heraus, genetisch identisch mit dem Muttertier - wie ein Ei dem anderen. Eine Vermehrung ohne Sex - und das garantiert schnell! Eine Läusemama kann pro Tag sechs Junge produzieren - über mehrere Wochen lang! Übrigens verfolgen nicht nur Blattläuse diese Strategie: Mit der sogenannten Parthenogenese (auch: Jungfernzeugung) vermehren sich viele Insekten, Krebse und Schnecken explosionsartig.

Marienkäfer: Fressen beim Sex

Marienkäfer bei der Paarung
Selbst beim Sex verspeist das Marienkäferweibchen eine Blattlaus. | Bild: SWR

Über eine explosionsartige Vermehrung der Blattläuse kann sich der Todfeind der Blattlaus nur freuen: der Marienkäfer... Für eine Blattlaus ist er so groß wie ein Tyrannosaurus Rex für den Menschen. Ein ungleicher Kampf. Der Käfer lässt sich die Blattlaus schmecken - nichts bleibt von ihr übrig. Er verspeist sie mit Haut und Beinchen - etwa 150 Blattläuse vernichtet er pro Tag!

Die Marienkäfer können von ihrer Lieblingsmahlzeit gar nicht genug bekommen: Selbst bei der Paarung ist das Weibchen nicht zu bremsen und frisst munter weiter. Während das Männchen sich abmüht und versucht, seine väterlichen Pflichten zu erfüllen, hat sie nur fressen im Kopf. Ganz schön unromantisch. Aber Hauptsache, die Mutter ist wohlgenährt - dann hat der Nachwuchs die besten Chancen!

Die Miniermotte greift von innen an

Die Raupe einer Miniermotto frisst sich durch ein Blatt
Die Raupe einer Miniermotto frisst sich durch ein Blatt. | Bild: SWR

Der Apfelbaum wird nicht nur von außen angebohrt und angestochen. Im Inneren der Blätter macht sich die Larve der Miniermotte breit und frisst sich satt. Die Fraßgänge der Larve nennt man auch Minen - daher der Name. Die Minen werden mit zunehmender Größe des gefräßigen Tieres auch immer breiter - bis die Larve nicht mehr in das Blatt passt. Wenn sie dann aus dem Blatt gekrochen kommt, hat sie nur ein Ziel: Sie will sich zur Motte verpuppen. Sie spinnt sich auf einem der Blätter des Apfelbaums ein neues Zuhause: eine Röhre, in der sie sich eigentlich innerhalb von zwei Wochen zur Motte entwickeln würde. Wäre da nicht die Erzwespe. Sie hat direkt neben die Puppe ihr Ei abgelegt. Das entwickelt sich selbst zur gefräßigen Larve und verspeist die sich verpuppende Miniermotte. Wieder wird so ein Feind des Apfelbaums unschädlich gemacht.

Für den Apfelbaum ist das lebensnotwendig, denn bekommt er bei all den gefräßigen Insekten keine Unterstützung, kann er all die Attacken nicht überleben.

Fressen und gefressen werden. Der Apfelbaum bietet jedes Jahr eine Bühne für zahlreiche Dramen. Und am Ende des Jahres bleiben nur einige wenige Überlebende übrig. Auch ein paar Blattläuse überleben am Ende jeden Jahres den Kampf gegen Raubwanzen und Marienkäfer. Sie legen in der Rinde Eier ab, die dann in Wartestellung überwintern: Nässe und Frost können den widerstandsfähigen Eiern nichts anhaben. Im nächsten Frühjahr werden dann daraus wieder Blattläuse schlüpfen - und der Kampf ums Überleben im Apfelbaum beginnt wieder von vorne.

Autoren: Thomas Wilke/Sarah Weiss (SWR)

Stand: 26.06.2015 12:55 Uhr

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