So., 20.02.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Tierarzt im Wildreservat
Johan Kriek ist kein gewöhnlicher Tierarzt. Sein Einsatzgebiet: die Wildnis Südafrikas. Seine Patienten: Büffel, Zebras, Antilopen und Co. Seit über 20 Jahren behandelt der 59-Jährige wilde Tiere, hauptsächlich in seinem eigenen Reservat, dem Mattanu Wildreservat im Norden Südafrikas. Ein abenteuerlicher Beruf, denn nichts ist unberechenbarer als die Natur.
Die Savanne brennt
Diese Unberechenbarkeit zeigt sich im November 2010: Es ist Sommer in Südafrika, die Luft ist heiß, die Savanne trocken. In der Nacht zum ersten November bricht ein Buschfeuer in Johan Krieks Reservat aus. Es zerstört das 2.300 Hektar große Gebiet bis auf wenige Grasflächen. Zwar sind Buschfeuer charakteristisch für Savannenlandschaften und erfüllen eine nützliche Funktion – sie schaffen Platz für neue Pflanzen und verwandeln Sträucher in fruchtbare Asche. Dieser Brand in Mattanu war jedoch der schwerste seit 20 Jahren.
Wie das Mattanu Wildreservat sind die meisten Reservate in Südafrika in privater Hand. Besonders seit Ende der Apartheid Anfang der 1990er Jahre setzen viele ehemalige Rinder- und Schafbauern auf Öko-Tourismus und wandeln ihre Farmen in Reservate um. Haupteinnahmequelle der Besitzer ist der Safaritourismus – inzwischen die fünftwichtigste Wirtschaftsquelle Südafrikas. Die Privatisierung der Reservate ist ein Grund, warum Dichte und Zustand der Wildbestände am Kap um ein Vielfaches besser sind als in anderen Regionen Afrikas. Damit das auch so bleibt, müssen Reservatbesitzer wie Johan Kriek einiges tun.
Sorge um die Jungtiere
Johan Kriek hatte Glück im Unglück: Die meisten der 600 Tiere konnten sich vor den Flammen retten. Aber ihre Nahrungsgrundlage, die Gräser und Sträucher der Savanne, sind nahezu restlos verbrannt. Die größte Sorge gilt nun den Jungtieren im Reservat. Da sie nicht so widerstandsfähig wie die ausgewachsenen Tiere sind, können Brandverletzungen und Futtermangel schnell tödlich sein. Auch aus unternehmerischen Gründen ein Risiko für den Wildtierarzt und Reservatbesitzer: Ein gesunder Jungbüffel – also ein Tier, das frei von Maul- und Klauenseuche, Tuberkulose und Theileria ist (ein Rinderparasit, der durch Zecken übertragen wird) – kostet rund 5.000 Euro. Für den nächsten Morgen beraumt der Tierarzt deshalb eine aufwendige Aktion an: Er will die wilden Jungbüffel einfangen, untersuchen und für einige Tage im Gehege füttern.
Mit dem Hubschrauber auf Büffelfang
Um sechs Uhr in der Früh werden mehrere Betäubungspfeile geladen, dann geht es mit dem Helikopter in die Luft. Vom Boden aus wäre es viel zu gefährlich, sich den wilden Büffeln zu nähern. Systematisch fliegen Johan Kriek und der Pilot das Reservat ab. Dann entdeckt der Tierarzt die Büffel. Doch zuerst müssen sie mit Hilfe von waghalsigen Flugmanövern die Kälber von der Herde trennen. Die Tiere bleiben bei Gefahr aber dicht zusammen. Schließlich gelingt es ihnen, ein Kalb zu betäuben. Jetzt muss ein Team am Boden rasch das Tier auf die Ladefläche eines Lasters hieven. Doch auch das ist gefährlich: Die Büffelherde hält sich in der Nähe des Kalbs auf, bereit zum Angriff.
Nach über zwei Stunden ist es geschafft: Vier betäubte Jungbüffel sind im Gehege – und Johan Kriek ist erleichtert: Die Tiere haben kaum Brandverletzungen. Nach einer Parasitenkur und ein paar Tagen bei gutem Futter kommen sie zurück in die Wildnis – zurück zu ihrer Herde.
Die Natur heilt sich selbst
Der Arbeitstag des Wildtierarztes ist nach dieser Aktion noch lange nicht zu Ende: Johan Kriek muss die Futterverteilung für über 600 Tiere im Reservat organisieren. Bis das Gras wieder nachwächst, muss das Wild jeden Tag zugefüttert werden. Die Bauern aus der Gegend haben ihm nach dem Buschfeuer mehrere Tonnen Heu und Luzernen gespendet, damit die Tiere etwas zu fressen haben. Diese müssen jetzt an verschiedenen Punkten im Reservat abgeladen werden. Was die Natur jetzt zur Erholung dringend braucht, ist Regen. Ein Blick in den bewölkten Himmel über dem Reservat stimmt Johan Kriek optimistisch – und in der Tat: Am Abend ergießt sich ein kräftiger Gewitterschauer über die Savanne. In wenigen Monaten wird wieder das erste Grün aus der roten Erde sprießen.
Autorin: Julia Jaki (WDR)
Stand: 18.11.2015 13:44 Uhr