So., 03.04.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Tiere: alt, älter – unsterblich!
Einmal durchschneiden – und beide Teile leben weiter? Bei Regenwürmern ist das definitiv nur ein Gerücht. Doch am Institut für Zoologie an der Universität Tübingen werden Organismen erforscht, für die das tatsächlich zutrifft: Plattwürmer. Die Untersuchungsobjekte von Thomas D'Souza können sich komplett regenerieren, wenn sie durchtrennt werden: "Das kann man auch wiederholen – nochmal durchschneiden, und wieder entsteht durch die Regeneration ein komplett neuer Wurm. So etwas findet in der Natur auch 'ohne Fremdeinwirkung' statt. Es gibt nämlich Formen von Plattwürmern, die sich teilen und so fortpflanzen. Hier ist es wirklich schwierig zu sagen, wie alt die Tiere tatsächlich werden können." Denn dadurch, dass beide Teile weiterleben, sind diese Würmer letztendlich unsterblich. In der Tierwelt hat das Lebensalter sein ganz eigenes Maß.
Das ominöse Methusalem-Gen
Ihnen sieht man ihr Alter nicht an: Kolkraben. Dass sie 90 Jahre alt werden, ist keine Seltenheit. Ein Hummer erreicht sogar ein Alter von rund 100 Jahren. Und einer unscheinbaren Flussperlmuschel sind über 110 Jahre Lebenszeit gegeben. Was lässt diese Tiere dermaßen alt werden? Gibt es vielleicht ein Methusalem-Gen, das die Lebensspanne regelt?
Experimente mit Fruchtfliegen sollten dies klären. Dazu haben Wissenschaftler versucht, zwei Fliegenpopulationen mit je unterschiedlichem Lebensalter zu züchten. Und das hat funktioniert. Letztendlich hatten sie eine Gruppe, deren Tiere eine auffallend kurze Lebenspanne zeigten. Auf der anderen Seite konnten die Forscher Fliegen züchten, die ungewöhnlich lange lebten. Einen ähnlichen Versuch hat man an der Uni Tübingen auch mit Fadenwürmern gemacht – mit dem gleichen Ergebnis. Der Beweis für ein Alters-Gen? "Es gibt eine genetische Basis für Altern, aber sowas wie das eine Methusalem-Gen gibt es nicht. Denn es gibt in den Populationen, die im Durchschnitt sehr alt werden, auch immer Ausreißer – also Tiere, die sehr jung sterben. Und diese Ausreißer zeigen: Es gibt nicht ein Gen, was dafür verantwortlich ist. Auch die Umwelt spielt eine große Rolle", sagt Thomas D'Souza.
In der Kälte lebt es sich länger
In der kalten Umwelt von Arktis und Antarktis leben besonders viele Methusalems –also alte Tiere. Eines von ihnen ist der Grönlandwal. In seiner Haut finden sich immer wieder Harpunenspitzen aus Feuerstein. Doch seit 130 Jahren wird ihnen mit Harpunen aus Metall nachgestellt. Die Steinspitzen in erlegten Tieren belegen also ein biblisches Alter. Bis zu 200 Jahre wurden so bei den Riesen nachgewiesen.
Das ist aber noch gar nichts gegen das älteste Lebewesen der Welt, das deutsche Forscher in den Gewässern der Antarktis gefunden haben. Schwämme, die dort auf dem Meeresgrund leben, haben durch Kälte und Dunkelheit einen extrem reduzierten Stoffwechsel. Sie führen deshalb ein Leben auf Sparflamme und in Zeitlupe – und werden so über 10.000 Jahre alt.
Eine Frage der Einteilung
Doch woran liegt es, dass Tiere so unterschiedlich lange leben? Ratten etwa können gut vier bis fünf Jahre alt werden. Die Spitzmaus dagegen hat nur wenige Monate Lebenszeit. "Das ist eine interessanter Frage und schwierig zu beantworten", sagt Biologe Thomas D'Souza. "Man muss sich das so vorstellen, dass die Organismen eine Art innere Uhr haben. Und die Arten, die unter einem starken Gefahrenpotential leben – weil sie viele Fressfeinde haben – müssen natürlich ihre wenige Energie in ihre kurze Lebenspanne investieren. Während die Schildkröte, die eigentlich gar keinen Gefahren in der Natur ausgesetzt ist, sich ihre Energie über einen langen Zeitraum einteilen kann."
Die Energieeinteilung ist also ein wichtiger Faktor bei der Lebenserwartung. Die Zeit ist dabei nur ein Begleiter. So gesehen ist das kurze Leben einer Eintagsfliege am Ende genauso intensiv gewesen, wie das einer Riesenschildkröte, der 175 Jahre gegeben waren.
Autor: Axel Wagner (SWR)
Stand: 17.09.2015 13:34 Uhr