So., 27.11.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Wie gesund ist grüner Tee?
In Asien gilt Tee - ob grün oder schwarz - seit Jahrtausenden als besonderes Getränk. In den meisten asiatischen Ländern haben sich Rituale und Zeremonien rund um den Teegenuss entwickelt. Die Chinesen sprechen sogar von der "Teekunst". Doch nicht nur das: Man sagt dem grünen Tee auch heilende Wirkung nach.
Der gesundheitsfördernde Effekt wird vor allen Dingen den sekundären Pflanzenstoffen zugeschrieben. Sie dienen der Tee-Pflanze als Schutz vor Fressfeinden und UV Strahlung. Sie sind auch in anderen Pflanzen - und deshalb ebenso in Obst und Gemüse - zu finden. Kaum eine Krankheit, vor der die sekundären Pflanzenstoffe nicht schützen sollen. Doch hilft es der Gesundheit tatsächlich, ein Tässchen zu trinken? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Denn bis heute gilt: Stichhaltige Beweise sind rar.
Der gute Ruf der grünen Blätter
So wie in Japan und China bis heute, wurde auch in Europa bis vor circa 150 Jahren vor allem grüner Tee getrunken. Erst seit etwa 100 Jahren ist das anders: Ob in Großbritannien oder in Ostfriesland, die meisten Europäer mögen ihren Tee eigentlich lieber schwarz. Eigentlich… Denn seit einigen Jahren ändern sich Teegewohnheiten bei uns wieder. Es gibt nicht wenige Menschen in der westlichen Welt, die regelmäßig grünen Tee trinken, ohne dass er ihnen sonderlich gut schmeckt. Doch ähnlich wie bei einer Medizin herrscht der Glaube: Das ist bitter, also muss es helfen. Mit ein Grund für den bitteren Geschmack ist ein Stoff mit dem wenig eingängigen Namen "Epigallocatechingallat", kurz EGCG. Er gehört zu den oben angesprochenen sekundären Pflanzenstoffen. Doch macht er grünen Tee wirklich nachweislich zu einem Gesundheitsprodukt?
Seit einigen Jahrzehnten wird das Getränk intensiv erforscht. Wissenschaftler aller Fachrichtungen wollen endlich das Geheimnis der grünen Blätter der Camellia sinensis lüften. Dabei hat man auf der einen Seite bereits viele Fakten gesammelt, auf der anderen fehlt es weiterhin an stichhaltigen Beweisen, dass grüner Tee wirklich gesundheitsfördernd wirkt. Wir fassen zusammen:
Was in der Pflanze steckt
Man weiß, dass grüner Tee eine große Anzahl unterschiedlicher sogenannter sekundärer Pflanzenstoffe, darunter die Polyphenole enthält, vor allem das EGCG. Diese Stoffe bildet die Pflanze, um sich gegen UV Strahlung und Fressfeinde zu schützen.
Die Art und Konzentration an Polyphenolen schwankt je nach Sorte, je nach Klima und je nach Anbaugebiet. Man erwartet, dass sich die Konzentration an Polyphenolen in den Pflanzen mit dem Klimawechsel verändern, wahrscheinlich ansteigen wird. Der Grund: Die UV-Strahlung in der Atmosphäre nimmt zu.
Doch Polyphenole sind auch in zahlreichen anderen Lebensmitteln wie Kaffee, Erdbeeren, Äpfeln, Weintrauben enthalten - und man findet sie sogar im Humus, im Erdboden. Und wenn man seit Jahrtausenden Erdbeersaft in China trinken würde, vielleicht - aber natürlich nur vielleicht - wären dann die Erdbeeren das Lebensmittel mit dem besten Ruf für die Gesundheit? So aber ist der grüne Tee im Fokus der Forschung.
Wie grüner Tee im Labor wirkt
Gibt man Mäusen oder Fadenwürmern (Caenorhabditis elegans) Polyphenole, darunter vor allem EGCG, halten sie in manchen Versuchen Alterungsprozesse und entartende Stoffwechselvorgänge (Krebs) auf und steigern die Leistung des Immunsystems. Andere Studien gelangen jedoch zu anderen Ergebnissen oder finden keine Wirkung.
Was diese Ergebnisse genau für den Menschen bedeuten, ist unklar. Denn der menschliche Stoffwechsel unterscheidet sich in vielen und einigen entscheidenden Punkten von dem der Tiere. Außerdem wurden zum Beispiel die erfolgreichen "Anti aging"-Versuche mit Würmern unter für den Menschen unmöglichen Bedingungen gemacht: Die Würmer haben EGCG in so hohen Mengen erhalten, dass ein Mensch täglich mehrere hundert Liter grünen Tee trinken müsste.
Der Mensch und der Tee
Dass die Wirkstoffe des grünen Tees überhaupt im Körper ankommen und dort eine Wirkung auslösen, das scheint jedoch bewiesen.
So führte das Trinken von einem halben Liter starkem grünem Tee in einer Studie der Berliner Charité z.B. dazu, dass die Blutgefäße flexibler reagieren und damit fitter erscheinen, wie Ultraschallbilder zeigten. Ob das jedoch wirklich zu einem Schutz vor Herzkreislauferkrankungen führt, beweist das jedoch nicht: "Nur dadurch, dass der Tee in der Lage ist, kurzzeitig eine Gefäßerweiterung zu erzeugen, kann man nicht sagen, dass es vor einem späteren Auftreten von Herzinfarkten schützt", so Dr. Mario Lorenz, Leiter der Studie.
Auch die Ergebnisse epidemiologischer Studien, die darauf hinweisen, dass Menschen, die regelmäßig grünen Tee trinken, gesünder sind und länger leben, muss man sehr vorsichtig interpretieren, denn: "Wer mehr grünen Tee trinkt, hat meist auch sonst einen gesünderen Lebensstil", meint Mario Lorenz.
Grüner Tee "impft" die Zellen
Sicher ist, dass Polyphenole die Zellen und ihren Stoffwechsel erreichen und dort wirken. Und die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Polyphenole als Fremdstoffe für den Körper einen Stressreiz bedeuten, der aber positiv wirkt. In geringen Konzentrationen führen sie dazu, dass die Zellen ihr "inneres Immunsystem" anwerfen und damit für nachfolgende Aufgaben gerüstet sind, so die Vorstellung der Forscher. "Man könnte sich das so vorstellen wie eine Schutzimpfung für nachfolgende Angriffe", vermutet Mario Lorenz von der Charité.
Wenn die Theorie mit den Polyphenolen als Sparringpartnern stimmt, dann sollte man seinem Körper möglichst viele verschiedene anbieten, damit er auch gegen möglichst viele verschiedene Feinde gerüstet ist. Das bedeutet: Esse und trinke pflanzlich und bunt.
Insgesamt sind es also eher Hinweise als Beweise dafür, dass grüner Tee eine positive Wirkung auf den Menschen hat. Ernstzunehmende Wunder-Meldungen über grünen Tee gibt es nicht. Die Forschung an grünem Tee wird trotzdem weiter gehen. Solange bleibt dem Fan von grünem Tee, sich an den chinesischen Philosophen Konfuzius zu halten, der sagte: "Echtes Wissen ist, wenn Du das, was Du weißt, als Wissen erkennst, und das, was Du nicht weißt, als Nichtwissen akzeptierst."
Autorin: Angela Sommer (WDR)
Stand: 13.11.2015 13:39 Uhr