Fragen an Thomas Loibl

Für den Ermittler Kauth (Thomas Loibl, li.) ist das Opfer Felix (Eloi Christ) allgegenwärtig.
Für den Ermittler Kauth ist das Opfer Felix allgegenwärtig. | Bild: ARD Degeto/Filmpool Fiction GmbH / Christine Schroeder

Sie spielen häufig schwierige Charaktere. Auch Hauptkommissar Kauth ist unangepasst und unkonventionell und führt Gespräche mit Menschen, die bereits tot sind. Was hat Sie gereizt, diese Rolle zu übernehmen? Und wie haben Sie Zugang zu Kauth gefunden?

Vor allem diese Kantigkeit, das Abweisende, Schroffe und bisweilen Unsympathische – all das hat mich sehr gereizt zu spielen. Aber unter dieser schroffen Erscheinung verbirgt Kauth eine große Wärme und ein viel größeres Herz, das man erst mal nicht vermutet. Und mir hat seine besondere Begabung gefallen, dass er mit Verstorbenen sozusagen diese intuitiven Gespräche führt. Für mich zeugt das von einem großen Einfühlungsvermögen – er nimmt so viel wahr an den Menschen, dass er sich immer wieder abkapseln, Mauern um sich herum errichten und in eine Einsamkeit flüchten muss, um seine sensible Seite mit seiner Schroffheit zu schützen. Ich finde, Rückzug und Einsamkeit und Stille – gerade auch in meinem Beruf – erden mich. Und für mich ist es immer spannend, wenn ich eine Rolle übernehme, zu überlegen, warum ist jemand wie Kauth Kriminalpolizist geworden? Was liegt da zugrunde? Und wie bringt er die Welt wieder in die Balance, nachdem jemand unschuldig im Gefängnis saß?

Was hat Sie bei dem Krimi „Unschuldig – Der Fall Julia B.“ besonders angesprochen?

Das war vor allem die Idee, einen Fall von hinten aufzurollen. Der eine Krimi ist im Grunde genommen abgeschlossen – aber es stellt sich heraus, dass Julia gar nicht die Täterin war. Eine gute Wendung, denn jetzt beginnt der eigentliche Krimi.

Kauths Handeln ist davon bestimmt, den wahren Täter oder die Täterin zu finden. Die Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit – können Sie sich damit identifizieren?

Damit kann ich mich sehr gut identifizieren. Gerade in dieser Zeit, in der wir als Gesellschaft bei vielen Themen bis ins Private hinein gar nicht mehr genau wissen, was ist wahr, was ist falsch? Und wenn man denkt, aber das ist doch ein Fakt, dann sagt ein anderer, nö, ich habe alternative Fakten. Wir brauchen Verlässlichkeit. Krimis sind wohl auch deshalb so beliebt, weil in der Sendezeit, die zur Verfügung steht, der Fall gelöst und der Täter verhaftet wird. Was unserem Gerechtigkeitsempfinden entspricht.

Wie ausgeprägt ist Ihr eigener Gerechtigkeitssinn?

Mein eigenes Gerechtigkeitsempfinden wurde schon in meiner Familie gestählt. Meine Eltern haben immer sehr darauf geachtet, dass mein zwei Jahre älterer Bruder und ich teilen gelernt haben und keiner von uns sich benachteiligt fühlen musste – obwohl wir uns als Kinder natürlich manchmal beklagt haben „Wieso bekommt er das und ich nicht?“ (lacht). Später haben wir viel darüber gesprochen, so etwas schult das Gerechtigkeitsempfinden. Aber es gibt auch Bereiche, große ethische Fragestellungen, die man vielleicht als unrecht empfindet, weil die Rechtsprechung das anders sieht.

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