Gespräch mit Hannah Schiller

(spielt Alma Schönbeck)

Hannah Schiller ist Alma
Hannah Schiller ist Alma | Bild: NDR / Georges Pauly

Alma Schönbeck ist ein typischer Teenager. In ihrer kleinen Welt ist sie die Herrin. Sie ist schlagfertig und jederzeit im Besitz der unumstößlichen Wahrheit. Als ihr Vater Oliver sich damals geoutet hat, war das ein Schock für sie und ihre Mutter Carolin. Es hat die Familie zerrissen, die beiden aber auch zu Komplizinnen gemacht. Fast wie mit einer Schwester spricht Alma mit Carolin. Mit einer Prise Albernheit, aber auch der nötigen Strenge. Dann kommt die echte Katastrophe, die ihr die Mutter von der Seite reißt. Alma braucht ein Zuhause. Oliver hat eins, aber es gibt ein Problem. Alma verachtet Oliver: für den Verrat an der Familie, für seine nicht vollendeten Sportambitionen, für sein Schwulsein, sein Leben mit Felix.

Alma braucht eine Form, braucht Verbindlichkeit. Ihr Mitschüler Johannes bemüht sich um sie, bringt ihr die Bibel und die Zeugen Jehovas nahe. Johannes hat Eltern nach Almas Geschmack: freundlich, aber prinzipienfest. Die Bibel beweist es doch: Begierden sind zum Unterdrücken da. Begierden sind für Alma das Teufelszeug, das Oliver in Felix’ Arme getrieben hat. Aber zwischen Oliver und Felix scheint es zu kriseln. Ist Oliver doch zu retten? Kann Alma ihren Vater zu sich auf die richtige Seite ziehen, dahin, wo Wahrheit und Selbstbeherrschung regieren? Alma ist ein Teenager und Zweifel kennt sie nicht – oder ist stark genug, sie zu beherrschen.

Gespräch mit Hannah Schiller (spielt Alma Schönbeck)

Du spielst die 15-jährige Alma, die nach dem Tod ihrer Mutter eher unwillig zu ihrem Vater zieht. Was hat Dich an dieser konfliktreichen Vater-Tochter-Beziehung interessiert?

Ich fand es cool, dass der NDR da einfach einen Vater zeigt, der schwul ist, denn als wir den Film gedreht haben, war das noch eher ungewöhnlich. Ich konnte nachvollziehen, dass man es als Tochter nicht so toll findet, wenn der Vater einen Mann als neuen Partner hat, aber wenn eine neue Frau an die Stelle ihrer Mutter getreten wäre, hätte sie genauso sauer reagiert.

Alma scheint auch ihre Macht über den Vater zu genießen. Rächt sie sich damit, weil sie sich von ihm als Kind verlassen gefühlt hat?

Ja klar. Ich habe auch versucht, mir vorzustellen, wie ich reagieren würde, und mit 15 in der Pubertät ist man noch viel radikaler als ein Erwachsener. Ich kann sie gut verstehen. Alma will es ihrem Vater nicht leicht machen, schließlich hat er sich die ganze Zeit über kaum für sie interessiert und ihr nicht einmal seinen Freund Felix vorgestellt. Wahrscheinlich hatte er keine Lust auf den ganzen Stress, und das rächt sich jetzt. Wäre er von Anfang an ehrlich gewesen, wäre vielleicht alles besser gelaufen.

Felix macht Alma ein großzügiges Angebot, möchte sie verstehen und toleriert lange ihr ablehnendes Verhalten. Warum sieht sie darin nicht auch die Chance auf eine neue Familie?

Ihr geht es nicht um Felix persönlich, aber sie gönnt ihrem Vater sein Glück mit ihm nicht, weil er das ohne sie gefunden hat. Ich glaube, es ist für ein Kind verletzend, wenn man das Gefühl hat, mein Vater kann auch ohne mich glücklich sein mit diesem Typen oder dieser anderen Frau und ich bin gar nicht wichtig in seinem Leben. Wenn man sieht, da ist schon jemand anderes, aber ich bin jetzt auch hier, dann muss der andere weg.

Konntest du nachvollziehen, dass ein 15-jähriges Mädchen die Homosexualität des Vaters derart vehement ablehnt?

Alma weiß sicher schon, dass man sich nicht selbst entscheidet, bin ich jetzt schwul oder nicht. Aber sie fordert seinen Verzicht als Liebesbeweis. Durch den Verlust der Mutter ist für sie alles unglaublich kompliziert, und über ihren neuen Freund bekommt sie Kontakt zu den Zeugen Jehovas. Bei der Glaubensgemeinschaft findet sie ein klares Weltbild, klare Regeln, nach denen man zu leben hat. Es gibt für alles eine Antwort, auch darauf, dass Homosexualität falsch ist, und da sie niemanden hat, an den sich wenden kann mit ihren ganzen Gefühlen und Gedanken, gibt ihr diese Gemeinschaft natürlich Halt. Ich persönlich finde es sehr traurig, dass die Zeugen Jehovas und auch die katholische Kirche Homosexualität ablehnen, weil es das Gegenteil von dem ist, was Kirche tun sollte. Die Kirche sollte eigentlich ein Zufluchtsort sein für die Menschen, die von Teilen der Gesellschaft immer noch nicht akzeptiert werden.

Ist die Diskriminierung von anderen Lebensentwürfen in Deiner Generation noch ein Thema?

Ich persönlich habe einen toleranten und mittlerweile auch sehr offenen Freundeskreis aus verschiedenen Kulturen und Hintergründen. Aber ich weiß, dass die Menschen aus der LGBTQ-Community sich teilweise sehr diskriminiert fühlen und sehr für ihre Rechte kämpfen und für sich einstehen müssen. Und ich habe das auch schon erlebt, dass ich für diese Menschen einstehen musste. Das ist schlimm und ich hoffe, dass wir mit solchen Filmen dazu beitragen können, dass es diesen Menschen leichter fällt, sich in unserer Gesellschaft zu bewegen und respektiert zu werden. Wir wollen natürlich eigentlich an den Punkt kommen, wo die sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielt. Und Mark setzt sich ja auch in seiner Rolle beim „Tatort“ als Robert Karow sehr dafür ein, dass da die Grenzen ein bisschen verwischen zwischen den klaren Zuordnungen von homosexuell oder heterosexuell.

Da es Deine erste Hauptrolle war, gab es sicher auch besondere Herausforderungen für Dich.

Das stimmt. Ich bin sozusagen von Stefan Krohmer entdeckt worden und hatte natürlich unheimliche Angst, mich zu blamieren. Aber vor allem Mark und Wanja haben mich an die Hand genommen, und das war fantastisch. Wir haben vor den Dreharbeiten schon ein bisschen geprobt, und ich bin mit den beiden an die verschiedenen Drehorte gefahren, wir sind zusammen essen gegan - gen. Mark war mein direktes Gegenüber beim Drehen, und er war sehr offen und ehrlich, so dass ich mich alles trauen konnte. Aber auch der sportliche Anteil war eine Herausforderung, weil Alma Leistungssport macht. Es gibt Szenen, in denen ich laufe, und damit ich nicht total bescheuert aussehe, habe ich dafür trainiert. Ich bin dem HSV sehr dankbar, dass ich mit den jungen Leichtathletikerinnen in Hamburg trainieren durfte. Sie haben mich ohne Vorurteile in ihr tolles Team aufgenommen, und das hat wahnsinnig Spaß gemacht. Ich fand das übrigens auch spannend in der Geschichte, dass Alma und ihr Vater Leistungssport machen. Wie der Vater, so die Tochter. Sie sind beide ähnlich radikal und ehrgeizig.

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