Felix Klare als Paul Lieberstein
„Es wäre wünschenswert, wenn es auch in der realen Welt eine zweite Chance gäbe“ – Gespräch mit Felix Klare
Pauls Verhalten löst die familiäre Katastrophe aus. Was treibt ihn an?
Für mich ist Paul jemand, der unter einem großen Druck steht. Er hat sich irgendwann unsterblich in Nina verliebt und wollte ihr ein tolles Leben bieten. Sie war erfolgreiche Leistungssportlerin, kommt vielleicht auch aus einer anderen Schicht als er, was an seinem Selbstwertgefühl nagt. Sie leben in diesem mondänem Hamburger Wohnviertel mit einem erfolgreichen Freundeskreis, und ich kann mir vorstellen, dass er als Chirurg den Leistungsansprüchen nicht immer gerecht werden konnte. Und um zu funktionieren, rutscht er in die Tablettenabhängigkeit.
Also gibt er Nina die Schuld an dem ganzen Desaster?
Nein, überhaupt nicht. Beziehungen sind sehr komplex. Paul glaubt, Nina erwartet von ihm eine Karriere als perfekter Chirurg – aber sicher nicht um jeden Preis. Sie will sich nach dem Statusverlust von ihm trennen, aber er liebt sie eben noch und kämpft um sie. Als er merkt, dass es einen anderen geben könnte, spioniert er ihr nach und dann bekommt die Geschichte einen spannenden Dreh.
Weil beide unter Mordverdacht geraten könnten?
Als er sieht, dass sie vergewaltigt wird, schlägt er die Scheibe ein und kurz danach haut sie dem Typen diese Statue über den Kopf. Man könnten natürlich einfach sagen, es war Notwehr, aber das ist schwer zu beweisen, wenn der Ehemann auch da ist. Ich finde, das Drehbuch ist wirklich gut gebaut, denn nun beginnt so eine Bonnie und Clyde Geschichte. Die Beziehung ist eigentlich völlig zerrüttet, aber die Tat verbindet sie und zwingt sie zum Zusammenhalt gegen die Polizei. Aus den Gejagten wird wieder ein Paar, das an den Kern seiner Beziehung herankommt. Es geht nicht mehr um Karriere oder das luxuriöse Eigenheim, sondern um existentielle Gefühle.
Gibt es da eine Schlüsselszene für Sie?
Die Szene, als beide getrennt bei der Polizei verhört werden, sich aber über die Türen sehen, fand ich sehr reizvoll. Sie müssen sich gegenseitig decken, wissen aber nicht, was der andere beim Verhör aussagt. Es wäre einfach, sich gegenseitig zu belasten. Aber die Essenz einer Beziehung ist das Vertrauen, und in dieser Situation müssen sie sich blind vertrauen. In der Szene entwickelt sich ein spannendes Spiel zwischen beiden.
Wie groß ist die moralische Zwickmühle der beiden?
Sie hegen natürlich Zweifel, weil jemand anders an ihrer Stelle ins Gefängnis kommen könnte. Aber hier gibt der Film keine eindeutigen Antworten, was mir am Drehbuch sofort gefallen hat. Die Polizei deckt nicht gleich alles auf und rückt die Tat in ein moralisch richtiges Licht. Paul und Nina haben schon alles verloren und wissen, dass man ihnen nicht unbedingt glauben wird. Ein Mann, der wegen seiner Tablettensucht gefeuert wurde, hat bei der Polizei sicher schlechte Karten. Aber sie sehen auch die Chance auf einen Neuanfang. Beide entdecken sich durch den Druck der Ereignisse neu. Nina nimmt Paul anders wahr, sieht, wie fürsorglich und gleichzeitig kämpferisch er ist. Es wäre wünschenswert, wenn es auch in der realen Welt eine zweite Chance gäbe und man nicht die gleichen Fehler wiederholen würde.
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