"Der Weltbetrug und die Mechanismen sind mit der Realität abgeglichen"
Regisseur Philipp Kadelbach im Gespräch
Herr Kadelbach, was hat Sie an der Geschichte "Auf kurze Distanz" besonders interessiert?
Vor allem hat mich das Thema des Films interessiert. Zudem ist es eine zeitgenössische Geschichte. Und da meine letzten Filme alle historischen Themen zugrunde lagen, war das ein wesentlicher Grund, warum ich den Film inszenieren wollte.
Wie haben Sie sich dem Thema "Wetten und Wettmafia" genähert? Wie sah die Recherche zu dem Stoff aus?
Neben Treffen mit dem Sportjournalisten Benjamin Best gab es Gespräche mit dem LKA und mit zwei ehemaligen verdeckten Ermittlern. Wir haben bei unserer Recherche auch Milan Sapina, das ist einer der Sapina Brüder, die damals in dem Wettskandal um den Schiedsrichter Hoyzer involviert waren, getroffen. Letztendlich haben Jakub Bejnarowicz, mein Kameramann, und ich viele Stunden in Berliner Wettbüros verbracht. Das war eine sehr lehrreiche Zeit, in vielerlei Hinsicht. (lacht)
Der Film gibt Einblicke in die Strukturen des internationalen Wettgeschäfts. Wie nah ist der Film an der Realität?
Der Ablauf der Schiebung, also der Wettbetrug und die Mechanismen sind mit der Realität abgeglichen. Die Clanund Freundschaftsgeschichte sowie die Polizeiarbeit sind fiktional angelegt.
Mit "Auf kurze Distanz" liefern Sie einen Fernsehfilm auf Kino-Niveau mit einem ganz eigenen Look. Wie sah Ihr visuelles Konzept bzw. das Gesamtkonzept aus?
Der Look eines Films oder die Einstellungsperspektiven sind tatsächlich nur ein ganz kleiner Baustein von vielen Bausteinen, die den Unterschied zwischen Fernsehen und Kino ausmachen. Letztendlich ist immer das Drehbuch der eigentlich entscheidende Faktor, ob ein Film fürs Kino oder fürs Fernsehen gemacht wird. Dieser Film war von Anfang an fürs Fernsehen konzipiert. Ich mag es nicht, wenn man Fernsehfilmen einen erzwungenen Kino-Look aufpresst. Die Handlung und die sich darin befindenden Figuren, definieren, ob ein Film Kino oder Fernsehen ist. Aber völlig unabhängig davon, sucht man nach einer visuellen Erzählform, einem visuellen Konzept, um Geschichten zu erzählen. Ich habe mich bei dem Film aus zwei Gründen für eine langsame Erzählform entschieden. Der eine ist rein egoistischer Natur: Ich war total müde von den ständigen Multikamera-Drehs, in denen der Rhythmus beim Schnitt entsteht. Ich wollte eine Entschleunigung, eine auflösende Kameraführung mit dem Schwerpunkt, die Geschichte aus der Perspektive von Milan zu erzählen. Der andere Grund ist der Geschichte geschuldet, wobei dies ja eigentlich immer der ausschlaggebende Faktor sein sollte. Ich wollte dem Zuschauer die Möglichkeit geben, sich eigenständig der Figur von Milan zu nähern, ohne dass ich es ihm aufzwinge. Zuschauen, ohne aggressive Führung, kann mitunter extrem anstrengend sein. Und entweder lässt sich der Zuschauer darauf ein und empfindet das als wohltuend oder er fällt auf seiner Couch in einen Tiefschlaf. Ich hoffe allerdings, dass Ersteres geschieht. (lacht)