Jeder Funke kann ein Feuer verursachen
Der heiße Sommer 2022 setzte dem deutschen Wald zu. Die Blätter und Nadeln der Bäume, aber auch die vertrockenten Pflanzen am Wegesrand sind leicht entzündlich. Da reicht ein Funke im trockenen Geäst und Gestrüpp und alles brennt lichterloh. Zigaretten, Lagerfeuer, Grillen – bricht ein Feuer im Wald aus, dann ist es meist menschengemacht.
Als er in seinem Beruf anfing, brauchte er dafür keinen Computer. Seit 40 Jahren ist Joachim Rippelbeck Förster. Als stellvertretender Forstamtsleiter ist er heute für 15.000 Hektar von Waldems im Norden Hessens bis nach Wiesbaden zuständig. Derzeit beschäftigen ihn die Trockenheit und der Wassermangel, aber vor allem die Waldbrände lassen ihn nachts nicht schlafen. Davon erzählt er im Interview.
Mit den hohen Temperaturen steigt die Waldbrandgefahr. Wie erleben Sie das in Ihrem Revier?
In den 40 Jahren als Förster hab ich zwei oder drei Waldbrände miterlebt. In diesem Jahr schon vier. Und es ist bei keinem so, dass man davon ausgehen kann, dass der Brand sich selbst entzündet hat. Selbstentzündung gibt es, aber in der Regel nur bei Gewitter. Während der aktuellen Waldbrände gab es kein Gewitter.
Ist die vergessene Flasche nach dem Waldpicknick der Grund?
Die berühmte Glasscherbe würde ich gar nicht so hoch ansetzen. Oft liegt es daran, dass gegrillt wird, ein Lagerfeuer gemacht wird oder eine Zigarette unachtsam weggeworfen wird. Man muss davon ausgehen, dass es fast immer von Menschen verursacht ist.
Aber es gibt doch eine Regelung, die das Rauchen im Wald verbietet …
Das Waldgesetz sagt ganz klar: Rauchen im Wald ist verboten. Punkt. Kein Komma, keine Einschränkung, nichts. Es kann Hunde und Katzen regnen, Rauchen ist trotzdem verboten. Das Problem ist, diese Regel kennt nicht jeder.
Wenn wir schon dabei sind, die Verbote zu erläutern. Welche Vorgaben gibt es für das Entzünden von Lagerfeuern?
Offenes Feuer - 100 oder weniger Meter entfernt vom Wald - muss durch die untere Forstbehörde genehmigt werden. Das wissen auch viele nicht. Grund ist der Funkenflug, der viele Meter reichen kann. Da ist wirklich Aufklärung notwendig. Ich glaube bei vielen, ist es nicht Böswilligkeit, sondern Unachtsamkeit. Und da hilft nur eines: Immer wieder drauf hinweisen.
Wenn es jetzt doch zum Schlimmsten kommt: Wie läuft so ein Waldbrand-Einsatz ab?
Als Förster bin ich Fachberater der Feuerwehr, die die Arbeit vor Ort macht: Nachts, schwitzend und unter Gefahr. Und dann ärgert es mich, wenn ich mir vorstelle: Die haben auch zuhause schon im Bett gelegen oder mit ihrem Kind gespielt oder sonst was gemacht und fahren zu einem Einsatz raus, weil irgendjemand unachtsam war.
Haben Sie ein Beispiel aus dem Sommer?
Ein Waldbrand oben an der Platte hier in Wiesbaden, unterhalb vom Jagdschloss. Das ist exakt die Stelle, an der es vor vier Jahren schon einmal gebrannt hat. Erneut war ein Grillplatz eingerichtet: Mit Steinkreis und auch Steine darunter. Sieht erstmal alles gut aus, aber ist es nicht, denn Feuer geht auch im Boden weiter. Nach dem Löschen des Waldbrandes mussten wir die Tage danach immer wieder dorthin fahren, um zu kontrollieren. 48 Stunden später qualmte es wieder aus der Erde. Es war noch Glut in einem Baumstumpf. Und die kann sich, wenn Wind aufkommt, wieder entzünden.
Eine Momentaufnahme
Zum Zeitpunkt des Interviews mit dem Forstoberamtsrat Joachim Rippelbeck Ende Juli 2022 hatte es - nach Angaben der jeweiligen Landesregierung - in ganz Hessen bereits 77 Mal gebrannt in diesem Jahr. In Brandenburg über 330 Mal, im Saarland hingegen nur drei Mal. Die Waldbrandgefahr ist von Region zu Region unterschiedlich, aber sie ist da. Nur ein einziger Brand kann große Zerstörung anrichten.