RegisseurEoin Moore im Interview
Mit "Der Tag wird kommen" haben Sie erstmals einen Film der NDR "Polizeiruf 110"-Reihe nicht nach eigenem Drehbuch inszeniert. Wie war das für Sie?
Ich kann nur sagen: Die Qualität des Buches hat mich sofort überzeugt. Ich habe Florians erste Fassung zunächst nur als Vorbereitung für mein eigenes Schreiben am nächsten Drehbuch gelesen. Wir halten uns in der Gruppe von Redaktion, Produktion und Autoren ja gegenseitig auf dem Laufenden, damit die Horizontale gut gepflegt werden kann. Auf der Hälfte des Buches war ich schon voll im Rausch. Als ich gesehen habe, was da alles für tolle Sachen passieren mit den Figuren, die für mich ja quasi wie Familie sind, dachte ich, da möchte ich gern dabei sein.
Wie sah Ihr Konzept für die Umsetzung aus?
Diese Geschichte hat deutlich mehr Genre-Elemente, als ich gewohnt bin. Meine eigenen Texte sind stärker im Realismus verhaftet, und die Geschichte mit Wachs war ursprünglich einfach eine über einen Sexualstraftäter. Wachs war mitten aus dem Leben gegriffen, wenn man so will. In diesem Buch ist Wachs ein bisschen ins Unheimliche gewachsen; Florian geht eindeutig stärker ins Genre rein. Da wollte ich auch nicht gegenarbeiten, sondern das wollte ich bedienen, ohne den Realismus zu verlassen. Also mussten wir uns überlegen, wie wir das optisch umsetzen können, dass man realistisch bleibt und trotzdem die Thriller-Elemente und diese Schrägheit, dieses Beunruhigende unterbringt.
Und wie haben Sie das erreicht?
Beispielsweise, indem wir mit einer kleinen Actionkamera gearbeitet haben. Mit dieser minikleinen Kamera kann man extreme Bilder aus extremen Perspektiven machen. Das sind filmische Mittel, die ich bislang nie angewendet habe, aber ich fand, dass wir das brauchten, um der Geschichte gerecht zu werden. Und es hat auch Spaß gemacht, damit ein bisschen zu spielen. Die Kamera eignete sich aber vor allem dafür, den labilen psychischen Zustand von Katrin König widerzuspiegeln. Wir haben vorn an die Kamera eine Makrolinse angeschraubt, mit der alles, was unmittelbar vor der Kamera ist, scharf ist und alles andere weiter weg und am Bildrand extrem unscharf. So kommt eine Art Tunnelblick zustande. Ich fand, das hatte etwas von einem Rauschzustand und passte sehr gut zu dem, wie Katrin König sich gerade fühlt.
Guido Wachs bedient sich hier einer ungewöhnlichen Sprache und entwickelt eine große Suggestivkraft. Was war Ihnen wichtig bei der Gestaltung dieser Figur?
Peter Trabner ist ein unglaublich intensiver Schauspieler, der sich sehr lange mit seiner Rolle auseinandersetzt. Wir haben lange daran gearbeitet, eine Stimme für Wachs zu finden, und diverse Proben gemacht, in denen wir unterschiedliche Temperaturen ausprobiert haben. Also einen Wachs, der ganz ruhig und normal spricht, und einen Wachs, der ein bisschen mehr ins Theatralische geht, der sich selbst inszeniert. Wir haben Unterschiedliches ausprobiert, bis wir fanden: Okay, so ist er. Ein bisschen "weird" muss Wachs schon sein, aber wir wollen ihn nicht zu einer Kunstfigur machen. Es ist wichtig, dass wir dieser Figur total glauben können, sonst haben wir auch keine Angst vor ihr.
Wir erleben die sonst so rationale Figur der Profilerin in einer absoluten Grenzsituation. Berichten Sie uns von der Arbeit an der Rolle mit Anneke Kim Sarnau.
Die Figur Katrin König ist in gewisser Weise ein Widerspruch in sich. Sie hat diese sehr ordentliche, klare Seite und hält sich an alle Regeln. Gleichzeitig ist sie jemand, der es nicht schafft, sein Haus aufzuräumen. Sie hat Chaos im Kopf. Weil sie weiß, wie chaotisch sie eigentlich von Natur aus ist, hat sie gelernt, Ordnung in ihr Leben reinzubringen. Aber es gab von Anfang an das Potenzial, dass die Figur auch mal in die andere Richtung kippen kann. Und wenn sie einmal kippt, fällt sie auch ein ganzes Stück, bis sie sich wieder fangen kann. Wir sehen hier ja den Höhepunkt einer längeren Entwicklung. Wachs manipuliert sie, aber er kann das nur erfolgreich tun, weil sie angeschlagen ist. Sie hat bereits einen inneren Konflikt wegen ihrer Schuldgefühle und Scham und Angst usw., und das ist der fruchtbare Boden, auf den seine Versuche fallen. Das war ein wichtiger Punkt für uns in der Arbeit zu sagen: Das kommt in erster Linie von ihr. Und so, wie wir bei Wachs die richtige Temperatur finden mussten, hatten wir uns für Katrin König so eine Skala von eins bis zehn ausgedacht und uns immer gefragt, in welcher Phase von Wahn und Klarheit wir von einer Szene zur nächsten sind, damit Anneke haushalten konnte. Damit sie ein sicheres Gefühl hat, wo die Figur gerade steht, also wie nah an der Psychose sie dran ist. Und ich finde, sie hat das fantastisch gemacht. Anneke ist wahnsinnig mutig. Es erfordert echt Mut, gerade in so einem Primetime-Sonntagabend-Format, eine Figur so weit zu treiben.
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