Gespräch mit Regisseurin Sabine Bernardi

"Allein die Angst zerfrisst die Menschen"

Julia Grosz (Franziska Weisz)
Regisseurin Sabine Bernardi mit Wotan Wilke Möhrin, dem Kameramann Oliver Maximilian Kraus und Franziska Weisz | Bild: NDR / Christine Schroeder

Sie haben mit dem "Club der roten Bänder" einen großen Publikumserfolg vorgelegt. Hat Ihnen die Serienerfahrung beim Drehen des "Tatorts" geholfen?

Ich finde, es ist von großem Vorteil, von der Serie zu kommen. Weil man gelernt hat, unter großem Zeitdruck zu arbeiten, über eine lange Strecke zu gehen und schnell konkrete Entscheidungen zu treffen. Ich weiß, dass ich gleichzeitig mit hohem Tempo und hoher Präzision arbeiten kann.

"Böser Boden" ist ein Umweltthriller, der Anleihen an den Zombiefilm macht. Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Crossover?

Die Geschichte stellt die spannenden Frage: Was geschieht mit den Bewohnern eines Dorfes, die einer schleichenden Vergiftung ausgesetzt sind? Die Vergiftung zeigt sich zum einen in ihrer äußerlichen Versehrtheit. Sie sind müde, gereizt, stehen unter Stress und werden immer aggressiver. Es findet aber auch eine emotionale Verrohung statt. Sie stumpfen ab und agieren nur noch wie eine dumpfe Masse.

Sind Sie unter die Horrorfilmer gegangen?

Nein, es ist ein Spiel mit den Elementen des Genres. Wir haben keinen Zombiefilm gedreht, sondern einen "Tatort", der einen Umweltskandal realistisch erzählt. Es war allerdings erstaunlich zu sehen, wie gut sich beides miteinander kombinieren lässt. Ich habe mir dann viele Filme des Genres angeschaut, um inhaltliche Analogien herzustellen. Die Effekte spielen eine untergeordnete Rolle.

Der moderne Zombiefilm erzählt, wie sich Menschen in unkontrollierbare Lebewesen verwandeln.

Das ist der Kern unseres Films. Was richtet das Gift an, das in die Körper und und die Seelen der Menschen eindringt? Es verändert ihre Beziehungen zueinander. Innerhalb der Familien breitet sich eine emotionale Kälte und Verrohung aus. Das Mitgefühl für die eigenen Kinder stirbt ab. Ob der Boden wirklich vergiftet ist, dafür fehlen endgültige Beweise. Allein die Angst zerfrisst die Menschen. Die Dorfbewohner zahlen einen hohen Preis dafür, dass sie ihren Hof und ihre Heimat nicht verlassen wollen.

Ist der Gaskonzern schuld daran?

Das liegt im Augen des Betrachters. Ein zentrales Thema von "Böser Boden" ist die Durchsetzung egoistischer Machtinteressen. Der Konzern setzt seine Ziele rücksichtslos durch, auf der anderen Seite verhalten sich die vermeintlich guten Umweltschützer extrem autoritär. Andersdenkende werden mit Gewalt aus der Gemeinschaft gedrängt. Die Grenzen von Gut und Böse verschieben sich. Mir hat an dem Buch sehr gut gefallen, dass solche Widersprüche nicht irgendwie ausgebügelt werden. Menschen sind im ständigen Ringen mit sich selbst. Sie agieren nicht nur "straight" in eine Richtung.

Für Ihren Film haben Sie ein paar wirklich düstere Schauplätze gefunden.

Es sind Schauplätze, bei denen man denkt: Hier möchte ich nicht tot über dem Zaun hängen. Man ist entrückt von der Welt, irgendwie "lost". Es war sehr aufregend, in der Pension und auf den Höfen zu drehen. Regen und Schneeregen hatten den Boden aufgeweicht und alles in eine Schlammwüste verwandelt. Der Grund war immer dunkel und nass. Diesen Morast haben wir bewusst ins Bild gesetzt. Von den Einheimischen sind wir toll aufgenommen worden. Aber im Film haben wir uns für die dunkle Seite entschieden, das Helle blieb der Realität vorbehalten.

Schön ausgeleuchtet haben Sie den Gaskonzern. Wo sind die Aufnahmen entstanden?

Wir haben in einem Recyclingunternehmen für Schweröl gedreht. Die Anlage steht mitten in der Natur. Sie ist durchaus imposant und von einer gewissen Schönheit. Dort wird aus Altöl wieder verwertbares Rohöl gewonnen. Die Firma war uns sehr zugewandt. Sie haben uns in allem großartig unterstützt. Wir haben die Gebäude optisch ein wenig verändern dürfen, damit sie einer Gasförderanlage ähneln.

Finden Sie es als Regisseurin reizvoll, in einem engen Raum mit vielen Schauspielern und Komparsen zu drehen?

In der Regie achte ich immer auf das Physische, damit der Film eine große Lebendigkeit gewinnt. Ich glaube, dass letztlich alles körperlich ist. Eine Szene spielt in einem voll besetzten Klub auf dem Hamburger Kiez. Es ist heißt, es ist eng, es ist laut. Man fängt an zu schwitzen. Man muss sich durchdrängeln, um nach vorn an die kleine Bühne zu kommen, wo die Band AnnenMayKantereit in unserem Film einen Gastauftritt hat und einen Song spielt, der perfekt zu unserer Geschichte passt. Das alles sind körperliche Erlebnisse, die eine ganz bestimmte Magie erzeugen. Und ein Konzert von AnnenMayKantereit, das muss in den Bauch gehen.

Zu Kommissar Falke gehört ein gewisser Machismus. Haben Sie sich überlegt, wie Sie als Regisseurin mit Falkes Mackertum umgehen?

Falke ist ein starker Charakter, seine Partnerin ist es nicht weniger. Also habe ich mir überlegt, wie Grosz damit umgeht.

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