Gespräch mit Wotan Wilke Möhring

"Die Zuschauer können die Geschichte aus zwei Blickwinkeln sehen"

Wotan Wilke Möhring als Kommissar Thorsten Falke.
Wotan Wilke Möhring als Kommissar Thorsten Falke. | Bild: NDR / Christine Schroeder

Mit Sabine Bernardi hat zum ersten Mal eine Frau bei einem Falke-"Tatort" Regie geführt. Welche Akzente hat sie gesetzt?

Es hat mir sehr gut gefallen, dass Sabine Bernardi nicht den puren Machismus bedient hat, den ihre männlichen Kollegen an Falke so verlockend finden. Man sieht dem Film auch an, dass sie große Lust gehabt hat, nicht nur auf Dialog zu drehen, sondern die Atmosphäre zu erspüren, die für einen solchen Stoff besonders wichtig ist, und diese Stimmung mit dem Kameramann gemeinsam zu entwickeln. Das ist ihr großartig gelungen.

Ist Falke in seinem neuen Fall mehr als Vater denn als Kommissar gefragt?

Er ist in beiden Rollen gefordert. Falke nimmt den Mordfall ernst, aber er ist zu Beginn stark abgelenkt. Weil er in der ersten Annäherung an seinen Sohn versagt hat, ist ihm Torben in Hamburg wieder davongelaufen. Später, in einem Klub, erhebt der Sohn im übertragenen Sinn die Hand gegen seinen Vater. Das gibt Falke zu denken.

Ist er als Vater überfordert?

Falke weiß gar nicht, wie das geht: Vater sein. Er muss diese Rolle erst erlernen. Mit lockeren Sprüchen und seinem Kommandoton kommt er hier nicht weiter. Als er seinem Sohn auf dem Kiez nachstellt, verpasst ihm Torben aus Affekt eine Kopfnuss. In ihrer Dickköpfigkeit sind sich beide ähnlicher als sie anfangs erkennen. Torben zieht über die Reeperbahn und sucht ein Ventil für seinen aufgestauten Zorn, so wie sein Vater, der auf der Davidwache Dampf ablässt. Wie heißt es in der Küchenpsychologie: Wut ist nur eine andere Art von Trauer.

Lässt er seine neue Partnerin Grosz in ihrem ersten gemeinsamen Fall im Stich?

Sie gerät in der Scheune eines Bauernhofs in eine gefährliche Situation. Es war ihre Entscheidung, dort im Alleingang zu ermitteln. Dennoch ist der Vorwurf nicht ganz unberechtigt, und so weist sie ihn zurecht: Wenn du mich noch einmal im Stich lässt, ist es unser letzter Fall. Diese Drohung würde er sich nicht von jeder Person gefallen lassen.

Sind die Rollen klar verteilt?

Grosz ist in dieser Beziehung sicherlich das analytische Wesen. Zugleich zeichnet sie eine gewisse Toughness aus. Sie bewegt sich auf Augenhöhe, gibt ihm Widerworte. Falke weiß, er wird es mit ihr nicht leicht haben. Ihre Intuition – ich will nicht "weibliche" sagen – lässt sie Dinge erkennen, die ihm wegen seiner Impulsivität und Direktheit verborgen bleiben. Falkes Art ist vergleichsweise geradeheraus: Jetzt mal Butter bei die Fische, die Fakten auf den Tisch!

Falke sieht im Gegensatz zu ihr nicht, wie die Menschen sich in Zombies verwandeln. Was hat das zu bedeuten?

Es war uns wichtig, nicht zu tief ins Horrorgenre abzutauchen. Wir haben keinen Zombie-"Tatort" gedreht. Das wäre mit dem Realismus des "Tatorts", wie wir ihn sehen, unvereinbar gewesen. Unseren Krimis liegen gesellschaftliche und politische Themen zugrunde. Mit dieser Tradition wollten wir nicht brechen. Deshalb finde ich es sehr gut, dass die Zuschauer die Möglichkeit haben, entweder dem faktischen Blick von Falke zu folgen, oder das Geschehen mit den Augen von Grosz zu sehen.

Ist Falke ein Bio-Verächter?

Nein, aber er weiß: Jede Art von Extremismus hat ihre Schattenseite. Wir haben es hier mit einem diktatorischen Biobauern zu tun, der vielleicht keinen Deut besser ist als die Menschen, die er bekämpft. Dass er sich über die Aktivisten hier und da lustig macht, unterstützt seinen Charakter. Keiner erwartet von ihm, sich politisch korrekt zu verhalten.

Kann ein Krimi über die Machenschaften von Industrie und Politik aufklären?

Ich bin davon überzeugt, dass unser „Tatort“ bei aller Unterhaltung politischen Mehrwert liefert. Darin liegt unsere besondere Verantwortung für die Reihe. Wir wollen nicht nur Verbrechen aufarbeiten, sondern auch Lösungen anbieten. Das große Rätsel können wir am Ende des Films aber nicht entschlüsseln, da stoßen wir an realistische Grenzen. Kommissare sind dazu da, einen Fall zu lösen, nicht die Welt zu retten.

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