Interview mit Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec

Batic (Miroslav Nemec) und Leitmayer (Udo Wachtveitl)
Szene aus dem Film: Batic und Leitmayr essen Wurst aus dem Automaten. | Bild: BR / Claussen + Putz Filmproduktion GmbH / Hendrik Heiden

Die Kommissare ermitteln in "Freies Land" im bayerischen Grenzland. Was sind die besonderen Herausforderungen in diesem Fall?

Miroslav Nemec: Die besondere Herausforderung ist, dass wir als Institution, als Personen der Exekutive nicht anerkannt werden von den Menschen, denen wir dort begegnen. Wir laufen gegen eine Mauer der Ignoranz.

Udo Wachtveitl: Was als Routinebefragung mit Ausflugscharakter geplant war, entwickelt sich als Grenzerfahrung im Wortsinne: Weit ab von der Großstadt ticken die Uhren und die Gehirne anders. Die Freundschaft der beiden wird auf die Probe gestellt, es gibt ein veritables Duell mit einer Kuh und Leitmayr badet nackt in unbekannten Gewässern. Und man erfährt, wozu ein Gummihandschuh gut sein kann.

Was unterscheidet Batic und Leitmayr in ihrer Herangehensweise bei diesem Fall?

Miroslav Nemec: Batic möchte eigentlich "nur" den Fall aufklären, und dabei weder die Arbeit des Verfassungsschutzes, noch die der Politiker, die sich damit befassen sollten, übernehmen. Entsprechend geprägt ist auch seine Herangehensweise an diesen Fall, er versucht über Umwege und dritte Personen, auf die richtige Spur zu kommen.

Udo Wachtveitl: Leitmayrs Neugier richtet sich auf entlegene Landschaften, sowohl geographisch als auch kulturell. Er erhofft sich einen Ausflug in ein anderes Bayern, das es in der Großstadt kaum noch gibt, und findet ein auf Miniformat geschrumpftes, längst von der Geschichte erledigtes Reich. Die Wirrnis in den Köpfen seiner Bewohner provoziert ihn, Leitmayrs Mission geht über den polizeilichen Auftrag hinaus.

Welches Bild hatten Sie von Reichsbürgern, bevor das Drehbuch auf Ihren Tisch kam?

Miroslav Nemec: Ich hatte natürlich schon viel darüber gelesen und hatte damals schon den Eindruck, dass diese Thematik zu sehr auf die leichte Schulter genommen wurde. Was sich mit den Vorfällen, die sich in der Zwischenzeit ereignet haben, geändert hat.

Udo Wachtveitl: Wer wo mit welcher Legitimation welches Rechtssystem durchsetzt, ist eine uralte rechtsphilosophische Frage. Sie hat zur Überwindung von Tyrannei und zur Durchsetzung von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung geführt. Dass einige Wirrköpfe unter dem Deckmantel kritischer Hinterfragung von historischen Details eine politische Rolle rückwärts machen wollen, erfordert den entschiedenen Widerstand aller Demokraten. Daran hat sich nichts geändert.

Wie nähern sich die Kommissare diesem Thema?

Miroslav Nemec: Leitmayr lässt sich emotional involvieren, während Batic versucht, eine gewisse Distanz zu wahren, um den Fall zu lösen.

Udo Wachtveitl: Leitmayr findet, dass es sich lohnt, für die politische Form, die sich dieses Land gegeben hat, zu kämpfen. Als letztes Mittel auch mit Repression.

Leitmayr baut zu Alois ein besonderes Verhältnis auf. Wie sieht das aus und warum ist das wichtig für den Film?

Udo Wachtveitl: Alois ist der auf den ersten Blick, als solcher nicht erkennbare, weise Alte. Er hat für den beinahe verdursteten Leitmayr nicht nur ein kühles Bier im Angebot, sondern auch den entscheidenden Hinweis zur Lösung des Falls.

Was ist der Kern des Gesprächs zwischen Leitmayr und Alois am See?

Udo Wachtveitl: Man könnte sagen, es geht um das Programm der Aufklärung, das sich als so segensreich erwiesen hat gegen dumpfes Geraune und Verschwörungstheorien. Aber mindestens so wichtig wie der Inhalt des Gesprächs ist das Moment der Entschleunigung für den Film. Da ist der See, die Sonne, der Himmel, der Geruch der Holzplanken, das Summen der Insekten und ein Mensch, mit dem man auch wunderbar schweigen könnte.

Wie war der Dreh im bayerischen Outback? Und wie schmeckt die Automaten-Wurst wirklich?

Miroslav Nemec: Landschaftlich war es dort traumhaft. Man wird sofort in eine Urlaubsstimmung versetzt, die natürlich trügerisch ist. Denn die Szenen, die sich dort abspielen, werfen bald ihre Schatten aufs Idyll. Ein scharfer Kontrast, der da entsteht. Die Automaten-Wurst schmeckt tatsächlich so, wie sie im Film aussieht – scheußlich! Da wir die Szene mehrfach gedreht haben, mussten wir die Bissen ausspucken.

Udo Wachtveitl: Ich esse schon seit Jahren kein Fleisch mehr und bin deshalb der Ausstattungsabteilung sehr dankbar, dass sie etwas Vegetarisches für mich vorbereitet hat. Sagen wir so: Nach der achten Wiederholung wird alles zur Qual, aber manches schmeckt schon beim ersten Mal nicht. Dennoch hat auch diese kulinarische Misslichkeit mir den Dreh nicht verderben können. Für Wachtveitl hat sich das idyllische Bayern wohl mehr erfüllt als für Leitmayr.

Vreni Bock spielt als blinde Darstellerin eine wichtige Rolle in diesem Tatort. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr? Welche besondere Rolle hat das "Nicht-Sehen" in diesem Fall?

Miroslav Nemec: Die Zusammenarbeit war wunderbar, sehr gefühlvoll, sehr sensibel. Bei einem blinden Menschen sind die restlichen Sinne natürlich umso mehr geschärft, und dadurch ist vielleicht auch die innere Gefühlswelt wesentlich sensibler als bei sehenden Menschen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass blinde Menschen Dinge, die sehende Menschen oft allzu leicht übersehen, nicht so schnell überhören oder "überriechen".

Udo Wachtveitl: Vreni ist ein tolles Mädchen, offen, wach, intelligent. Am meisten verwundert hat mich, dass sie den verschiedenen Stimmen der Menschen Farben zuordnet, obwohl sie doch nie welche gesehen hat. Meine war für sie übrigens braun. Hoffentlich ein schönes.

Wie war die Zusammenarbeit mit Andreas Döhler (Rolle Ludwig) und Anja Schneider (Rolle Lene)?

Miroslav Nemec: Mit Andreas Döhler habe ich leider kaum zusammen gedreht, mit Anja Schneider ein paar mehr Szenen. Die Zusammenarbeit war mit beiden sehr gut, sehr professionell, sehr entspannt. Es sind zwei sehr umgängliche, sehr angenehme Kollegen.

Udo Wachtveitl: Dem kann ich nur zustimmen.

Was zeichnet die Regiearbeit von Andreas Kleinert aus?

Miroslav Nemec: Dass er eine bestimmte, ganz klare Vorstellung hat von dem, was er machen möchte, und trotzdem immer genau zuhört, wenn wir etwas anders empfinden oder andere Vorschläge haben. Wir freuen uns darauf, bald wieder einen Tatort mit ihm zu drehen!

Udo Wachtveitl: Obwohl kein Bayer, hat sich Andreas mit großer Sensibilität und Neugier auf die Wunderlichkeiten Bayerns – und auch unsere – eingelassen. Und so kommt es, dass im Film sogar "firi, ummi, auffi" (etwa: "… da vor, dann ums Eck und dann hoch") als Wegbeschreibung vorkommen darf. Er ist interessiert, schnell, sensibel und liebt es, Filme zu machen. Gerne wieder mit ihm. Und gerne wieder auch außerhalb des S-Bahnbereichs.

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