Gespräch mit Axel Milberg

„Inzwischen macht sich wohl niemand mehr Illusionen, wie groß der Einfluss digitaler Inhalte auf das tägliche Leben aller ist“

Bedrückt der Fall: Klaus Borowski (Axel Milberg).
Axel Milberg als Klaus Borowski. | Bild: NDR / Thorsten Jander

Verhöre mag Klaus Borowski, aber was er liebt, ist das Rollenspiel. Es gibt ihm Gelegenheit, die große Warnblinkanlage „Polizei“, die er mit seiner Dienstmarke herumträgt, auszuschalten und Vertrauen zu gewinnen. Leonie Mewes ist eine hochbegabte Aktivistin, die die Polizei für ihr – wie Leonie findet – brutales Gebaren bei den Demos und Aktionen hasst. Borowski gibt sich ihr gegenüber als Vater einer Umweltaktivistin aus. Die Gespräche mit Leonie bekommen eine unerwartete Tiefe. Darf man seinen Kindern sagen, es gebe einen Gott, selbst wenn man nicht weiß, ob es einen gibt? Ist das eine Lüge? Darf man lügen, um ein höheres Ziel zu erreichen? Borowski weiß, dass der Moment kommen wird, wo er Leonie wird enttäuschen müssen, aber bis dahin ist er beeindruckt von der Ernsthaftigkeit und gedanklichen Radikalität der jungen Frau. Er würde sich wohler fühlen, wenn er der rätselhaften Faszination auf die Spur käme, die die Influencerin Zenaida auf Leonie und etliche der Aktivist*innen ausübt. Aber so sehr er auch auf sein Tablet starrt, er bleibt immer wieder in der Oberfläche aus Poesie, Nostalgie und Unbeirrtheit hängen.

Eine Frage an den Schauspieler: Wie nehmen sie die junge Generation wahr? Wo gehen die Punkte an die Boomer wo an die Millennials und GenZ?

Die Leistungen der Wissenschaft, die die Verschmutzung, Ressourcenknappheit, das Artensterben erforschen, sind ja seit den späten 60er-Jahren Leistungen der Nachkriegsgeneration. Messgeräte, technologische Entwicklung und atemberaubende Erfindungen ebenfalls von den Boomern. Findet die GenZ aber jetzt wirkungsvolle Strategien, politisch einen Wandel zu erreichen? Dass Wandel nicht als Verzicht empfunden wird, sondern als eine Bereicherung? Die pathetische Sprache, auch das Festkleben, das Weinerliche trennt eher, stärkt die Gegenseite. Aber es gibt auch viel Grund für Hoffnung, denke ich!

Borowski scrollt nachts durch den Content der Social-Media-Welt und es entsteht der Eindruck, dass ihm das, was ihm an moralischer Argumentation von der Klimainfluencerin entgegengebracht wird, ein bisschen auf die Nerven geht. Wie sieht Borowski die Welt, die sich ihm hier zeigt?
Die Ermittler müssen die Personen hinter den mörderischen Manipulationen im Netz finden. Das kann in der Realität Monate dauern. Im Fernsehkrimi muss das Team um Borowski aber schneller die Einzeltäter ermitteln, als es den Spezialisten für Cyberkriminalität möglich ist. Inzwischen macht sich wohl niemand mehr Illusionen, wie groß der Einfluss digitaler Inhalte auf das tägliche Leben aller ist. Besonders die jüngere Generation findet gar keine Zeit mehr, den Content zu überprüfen oder anderen zu erklären. Sind der Wirkung 24/7 ausgesetzt. Die Strömung reißt alle mit.

Borowski entwickelt einen Beschützerinstinkt für die junge Leonie. Dabei wirkt die Annäherung der beiden Figuren sehr behutsam und ohne ein Gefälle - wie haben Sie die Szene angelegt, damit diese Wirkung entsteht?
Uns war wichtig, Borowski in seiner Bewertung zurückhaltend zu zeigen. Er darf ja die Ermittlung nicht aus den Augen verlieren. Aber dass er Sympathien hat für die letzte Generation, ist spürbar. Nicht nur, weil er ihnen Brötchen an den Strand bringt - dies ist seine gewissermaßen analoge Manipulation -, sondern auch am Ende. Da ist Trauer, das ewige „zu spät“ des Ermittlers und auch Ratlosigkeit im Angesicht eines neuen übermächtigen Feindes. Leonie zu retten, erscheint eher möglich, wenn er nicht als Polizist auftritt. Dieses Feindbild ist bei den Protestierenden zu ausgeprägt. Er nimmt sich fest vor, nur zuzuhören. Vertrauen aufzubauen. Irgendwie haben dann Leonie und er beide Mitleid mit dem jeweils anderen. Als dann seine Tarnung auffliegt, beginnt der Wettlauf.

Pauline hatte schon zweimal mit der Regisseurin Katharina Bischof gedreht. Sie kennen sich gut und schätzen sich. Katharina hatte sie unabhängig von mir für diese Rolle vorgeschlagen und die Redaktion stimmte zu.

Der Showdown ist ein brillant gespieltes Psychoduell. Wie wurde das umgesetzt?
Ja, die Szene im Lift. Borowski bleibt stecken. Und ihm begegnet ausgerechnet dort der Feind. Es ist eine präzise Logik, die ihm ermöglicht, in den Schuhen des Täters, oder besser im Kopf, im Algorithmus des Mörders diesen auszuschalten. Es war ein Vergnügen, das zu spielen. Mehr sei hier nicht verraten.

An einem Punkt wendet sich Borowski direkt an die Zuschauer. Wie und warum kam dieser „Move“ zustande?
Der Moment, in dem Borowski in die Kamera schaut, war so nicht geplant. Mein Blick ging in die Ferne, aufs Meer, ganz am Ende des Films. Aber ich empfand das in dem Moment als nichtssagend und etwas bieder und schaute dann direkt ins beobachtende Auge, ins Objektiv. Katharina meinte, mal sehen, was am Ende richtiger ist. Nun ist ja dieser Blick eine Frage an den Zuschauer: „Und Du? Was siehst du? In der Zukunft. Da ist so viel Verlust und Schmerz!“ Ich persönlich kann alle Jugendlichen verstehen, die die Geduld nicht mehr haben, das, was wissenschaftlich längst bewiesen ist, immer wieder neu zu diskutieren. Die Politik kann es aber auch nicht gegen den Willen der Mehrheit umsetzen, wenn diese auf fatale Gewohnheiten nicht verzichten mag. Das ist das Dilemma.

Kommissar Borowski hat es nach „Borowski und das dunkle Netz“ und „Borowski und die Angst der weißen Männer“ erneut mit einem Gegner aus der Welt der Digitalisierung zu tun. Wo liegen für Sie die besonderen Herausforderungen und Einschränkungen bei den Ermittlungen in der digitalen Welt?
Ich war immer skeptisch, so entscheidend und hilfreich die digitalen Möglichkeiten in der Erfassung und Verfolgung von Verbrechen auch sind, diesen elektronischen Partnern im Film großen Platz einzuräumen und dann mit der Kamera auf die Geräte draufzuhalten. Warum? Weil sie schlicht unfilmisch sind. Weil sie ein Verlust an Spannung in den Szenen sind und ein reales Gegenüber nicht ersetzen können.

Vom Anstieg der Meeresspiegel wird auch die Fördestadt Kiel betroffen sein. Sechs Zentimeter waren es in Kiel in den letzten 50 Jahren. 50 Zentimeter werden es bis 2100 sein. Gerade wurde eine Studie veröffentlicht, die darauf hinweist, dass die Artenvielfalt des Wattenmeers durch die globale Erwärmung der Meere stark bedroht ist. Glauben Sie, dass das Thema Klimaschutz für Menschen in Schleswig-Holstein einen besonderen Stellenwert hat?
Kiel und Schleswig-Holstein sind, so meine Informationen, recht früh in der Umwelt- und Klimaschutz-Politik aktiv gewesen. Dies liegt an der besonderen Lage, an beiden Seiten lange Meeresküsten, viel Landwirtschaft, deren Erträge vom Klima abhängig sind. Aber die Bauern schimpfen eher über neue EU-Verordnungen als über den ungenügenden Klima-Aspekt. Nun ja, jedenfalls hat dieses Land zwischen den Meeren alle Auswirkungen von Klima und Umweltbelastungen deutlich vor Augen. Das Institut Geomar sowie das Weltwirtschaftsinstitut sind beide in Kiel beheimatet.

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