Autor und Regisseur Martin Eigler zu seinem Film

Im "Tatort – Dein gutes Recht" erleben wir zum einen die toughe Anwältin, der es – selbstverständlich – um Durchsetzung der Interessen ihrer Mandanten und Mandantinnen und damit auch um ihre eigene Reputation geht. Andererseits ihren Ehemann, der darauf beharrt, dass es bei der Wahl der Mittel Grenzen geben muss. Wie sehen Sie das Spiel der Kräfte in unserem Rechtssystem, worauf kam es Ihnen bei dem Setting an?

Unser Rechtssystem ist das Rückgrat unserer offenen Gesellschaft, indem es das gesellschaftliche Zusammenleben durch Gesetze regelt, Gerechtigkeit schafft und widerstreitende Interessen ausgleicht. Dass dies gelingt, ist die Erwartungshaltung der Menschen. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist ein hohes Gut. Gerade deshalb muss man immer wieder überprüfen, ob und an welchen Stellen die Rechtsprechung selbst Schwächen aufweist und z.B. Menschen, die weniger privilegiert sind, benachteiligt werden.

Heißt mehr Geld haben, auch bessere Chancen zu haben, seine Rechte durchzusetzen? Und bedeutet weniger Geld schlechtere Chancen zu haben, Recht zu bekommen?

Wie schmal der Grat ist, auf dem engagierte Anwältinnen wandeln, erlebt man hoffentlich anhand der Figur von Sandra Borgmann: Ist ihr als Anwältin alles, was nicht strafbar ist, auch erlaubt? Dürfen Anwälte die gegnerische Partei diffamieren und mit haltlosen Behauptungen überziehen, um den Interessen der eigenen Mandantschaft zu dienen? Wo sind die Grenzen des Anstands, des Erlaubten? Und wer entscheidet das? Auch beim Dreh haben uns diese Fragen immer wieder beschäftigt.

Gab es konkrete Vorfälle, die Sie zu dieser Geschichte inspiriert haben?

Bei meiner Recherche im Gericht habe ich miterlebt, wie ein Arbeitnehmer von einem Anwalt beraten und vertreten wurde, der ganz offensichtlich weder die Aktenlage noch die Rechtslage kannte. Da der Arbeitnehmer nicht gut deutsch sprach, konnte er nicht nachvollziehen, was der Anwalt alles nicht wusste und somit verbockt hat. So einen Anwalt wird niemand engagieren, der genug Geld hat. Außerdem gibt es eine Regelung im deutschen Recht, die ich wirklich problematisch finde. Jemand, der zu mehreren Tagessätzen Geldstrafe verurteilt wurde und diese Strafe nicht zahlen kann, kann zu entsprechend vielen Tagen Gefängnis verurteilt werden. Geldstrafen in der Höhe von 30 Tagessätzen können schon für vergleichsweise geringe Vergehen wie wiederholtes Schwarzfahren verhängt werden. Für jemanden, der mit seinem Geld gerade so über die Runden kommt, bedeutet dies bei einer Verurteilung zu 30 Tagessätzen, dass ihm auf jeden Fall Gefängnis droht, weil er sicherlich keine Rücklagen für einen Monat angespart hat. Jemand, der finanziell gut dasteht, hat diese Rücklagen und muss nicht ins Gefängnis. Aber darf die Schwere der Strafe von den finanziellen Möglichkeiten des Täters abhängen?

Lena Odenthal ist eine Ermittlerfigur, die bei aller Professionalität nicht davor zurückschreckt, Partei zu ergreifen, wenn ihr Ungerechtigkeitsradar zuschlägt. Sie und Johanna Stern lernen die Anwältin Patricia Prinz als Opfer kennen, begegnen dann aber Marie Polat und erleben, wie diese dann durch Frau Prinz zum Opfer wird. Verändert das für die Kommissarinnen die Sichtweise?

Für die Kommissarinnen geht es darum, bei aller Empathie für die "Opfer", in allen Situationen einen klaren Blick auf die Tatumstände zu behalten, den Wahrheitsgehalt von Aussagen – von wem auch immer sie stammen – kritisch zu überprüfen. Das ist auch in diesem Fall so. Aber natürlich wird die Situation komplizierter, als sie auf eine weitere Verdächtige stoßen, die sie erstmal als "Opfer" der Umstände und der Anwältin kennenlernen.

Es gibt eine weitere Ebene in dem Film, die interne Ermittlung, die gegen Lena Odenthal wegen Schusswaffengebrauchs läuft. Was bedeutet das für die Kommissarinnen – und was für die Erzählstruktur des Films?

Es ist natürlich reizvoll, die Kommissarinnen in einer Vernehmungssituation zu erleben, die sie sonst von der anderen Seite des Tisches kennen und beherrschen. Hier werden sie mit Tricks und Manipulationsversuchen ihres LKA-Kollegen konfrontiert. Dieses Vorgehen kann als Mittel zum Zweck der Wahrheitsfindung dienen – oder auch als Strategie, um zu einem "passenden" Resultat zu gelangen. Sowohl der Kollege vom LKA als auch die Anwältin sind bereit, die Wahrheit beiseite zu schieben, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Aber wie verteidigt man die Wahrheit? Wie setzt man sich gegen Verleumdung und Diffamierung zur Wehr? Das fällt auch unseren Kommissarinnen nicht leicht.

Befragungssituationen sind in Polizeifilmen eine Standardsituation. Was war Ihnen wichtig bei der Spiegelung der Situation, wenn die Ermittlerinnen befragt werden?

Wenn Lena Odenthal in ihrem 80.Fall in einer Vernehmung unter Druck gesetzt wird, dann bewertet man als Zuschauerin sicher sehr viel aufmerksamer und kritischer die Strategien während der Vernehmung, die Odenthal "überführen" sollen.

Es ist der 80. Lena-Odenthal-Tatort, für Lisa Bitter das zehnte Jahr als Kommissarin Johanna Stern, wo sehen Sie die beiden Ermittlerinnen heute?

Ulrike Folkerts und Lisa Bitter haben eine Lässigkeit und Souveränität in ihrem Zusammenspiel gefunden, die mir als Regisseur große Freude macht. Und beide strahlen für mich eine Energie in ihren Rollen aus, als wäre jeder Fall der erste.

Frau Keller ist weg – was jetzt?

Wir begeben uns in der Folge auf die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Doch die Vorstellungsgespräche laufen anders als Odenthal und Stern sich das erhofft haben. Aber es gibt Hoffnung …

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