Statement Lisa Bitter
Das Kernthema des Films beinhaltet meiner Meinung nach die "Auslegung der Wortwahl in der Rechtsprechung". Das klingt erstmal kompliziert meint aber ganz konkret den Vorgang, wenn Anwälte/ Anwältinnen durch eine gezielte Wahl von Adjektiven in Anwaltsschreiben die jeweiligen Verhandlungs"gegner" verunglimpfen, um einen Gerichtsprozess für ihre Zwecke zu beeinflussen, zu manipulieren. Hier steht eine Anwältin im Mittelpunkt, die scheinbar ohne "Anstand" und Moral auf ihren eigenen Erfolg vor Gericht aus ist. Die Frage nach Anstand und Moral in der Rechtsprechung ist überhaupt eine sehr interessante Frage, die in diesem Tatort bildhaft und sehr konkret gestellt wird.
Gleichzeitig müssen sich Lena O. und Johanna Stern einer internen Ermittlung unterziehen und werden selbst einzeln verhört. Was für uns als Schauspielerinnen eine sehr willkommene Abwechslung ist, gibt es doch in diesem Fall die Möglichkeit das eigene Verhalten während der Ermittlung zu kommentieren und zu reflektieren. Das ist eine zusätzliche Spielebene, die wir nicht immer zur Verfügung gestellt bekommen.
Sehr schnell wird klar, dass Lena und Johanna während dieses Verhörs manipuliert werden, und, der Klassiker: gegeneinander ausgespielt werden sollen, um einem Dritten einen möglichen Vorteil zu verschaffen.
Auch hier wird also mit einer Auslegung, einer Interpretation von Fakten gespielt, bereits getroffene Entscheidungen werden aus völlig neuen Gesichtspunkten hinterfragt.
Lena und Johanna müssen sich plötzlich rechtfertigen und erfahren, dass die Bewertung von außen völlig neue Perspektiven zulässt.
Im Grunde spielt der ganze Film permanent mit der Frage, was Sprache kann und mit uns macht: entsteht die Nachricht nicht immer beim Empfänger und kann sich stark von dem unterscheiden, worauf der jeweilige Sender eigentlich hinauswollte? Wenn es um die Aufklärung von Verbrechen geht, möchte man meinen es geht allen Beteiligten um die "Wahrheit", aber gibt es sie überhaupt, diese Wahrheit? Und dann gibt es noch zwei Hauptverdächtige, die sich diesem Schlamassel kurzerhand entziehen und das Recht in die eigenen Hände nehmen…
Nach zehn Jahren beim Tatort bin ich glücklich über den Zusammenhalt von Lena und Johanna als loyales Team, wir haben uns ein Vertrauen erarbeitet, das unerschütterlich ist (wie man in dieser Folge sehr gut beobachten kann) und haben gelernt, die jeweiligen unterschiedlichen Herangehensweisen in der Ermittlungsarbeit als Pfund zu begreifen. Das macht mich sehr zufrieden, ein bewegliches Team mit Lust auf viele weitere komplexe Fälle.
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