Interview mit Stephan Rick
Gespräch mit Regisseur Stephan Rick
Was hat Sie an dem Drehbuch interessiert?
Ich fand die Geschichte hochgradig emotional und mir hat gefallen, dass der Täter von Anfang an offen geführt wird und wir als Zuschauer einen Wissensvorsprung haben. Dadurch entsteht neben der Krimispannung auch eine Thriller-Atmosphäre und das Drama des Täters rückt in den Vordergrund. Um die Spannung zu halten, ist es wichtig, dass die Bedrohung durch Steffen Thewes ständig präsent ist. Er ist ein bisschen wie ein verletztes Tier, von dem man nicht weiß, wie es reagieren wird und er verstrickt sich immer tiefer in seine Taten. Anstatt die richtigen Abzweigungen zu nehmen, wählt er die falschen und verliert dadurch immer mehr die Kontrolle über sein Leben.
Es gibt keinen wirklich Bösen in dem Film. Liegt das Böse in der gesellschaftlichen Ungerechtigkeit begründet?
Ich glaube, in den Randbereichen unseres Gesundheitssystems gibt es eine Schieflage – das ist es auch, was Thewes antreibt, ohne das entschuldigen zu wollen. Aber bei cranio-cervicaler Instabilität, dem Ehlers-Danlos-Syndrom, unter dem seine Tochter leidet, hilft nur eine teure Operation in den USA. Wir haben im Rahmen der Recherche Webseiten gefunden, auf denen Menschen mithilfe von Spendenaufrufen versuchen, dieses Geld zu bekommen. Für mich lag die Herausforderung darin, einerseits ganz nah an Thewes zu sein, der abscheuliche Dinge tut, die aber menschlich nachvollziehbar sind, weil er seine Tochter retten will, und andererseits die Zuschauer nicht zu sehr zu seinem Komplizen zu machen.
Welches visuelle Konzept haben Sie verfolgt?
Stilistisch wollten wir auf der einen Seite einen Film erzählen, der sehr intim ist, sehr nah an den Figuren, und gleichzeitig sollte er auch aufgrund der Tragödie eine visuelle Größe haben. Deswegen haben wir viel mit Extremen gearbeitet, mit vielen sehr offenen Totalen, Top Shots und Drohnenaufnahmen. Als Kontrapunkt dazu gibt es extreme Groß- und Nahaufnahmen, die von der Lebendigkeit einer atmenden Handkamera leben.
Wie haben Sie die Dreier-Konstellation Geissler, Grosz und Falke inszeniert?
Wir wollten Tine Geissler ganz selbstverständlich als lesbische Polizistin erzählen und dadurch so eine zarte Dynamik herstellen, die auch bei Falke etwas triggert, weil er sich in seiner Männlichkeit und seiner Lässigkeit herausgefordert fühlt und sich auch Schlagabtausche mit Grosz liefert, die hier zum Comic Relief führen. Grosz ist eine sehr smarte Polizistin, die sich von ihm auch nicht in die Karten gucken lässt, wenn es um solche Herzensdinge geht. Sie gibt ihm auf Augenhöhe Kontra, aber dadurch kommen sich Falke und Grosz auch näher. Es entsteht ein gegenseitiger Respekt und auch eine Freundschaft. Falke kann durch diese Konstellation auch seine subtilere und feinere Seite zeigen. Er ist eine sehr starke Polizistenfigur, die starke Instinkte hat und unter Hochdruck und enormer Gefahr ermitteln kann und nun muss er mal ganz anders agieren.
Sie haben gerade in den USA einen Thriller gedreht. Wie schafft man es denn, einen Anruf aus Hollywood zu bekommen?
Mein Film "Die dunkle Seite des Mondes" lief in der Lola Sektion auf der Berlinale, wodurch ihn der US-amerikanische Produzent Dick Wolf zu sehen bekam, der u. a. "Law and Order" und "Chicago Fire" produziert hat. Dick Wolf hat nach einem Regisseur für den Horrorthriller "The Super" gesucht und war begeistert von meiner Arbeit. Er schickte mir das Buch und so kam die Zusammenarbeit zustande.
Ist nicht ungewöhnlich, dass US-Amerikaner in Deutschland nach Regie-Talenten suchen?
Man merkt immer deutlicher, dass die US-amerikanische Filmindustrie in Europa und auch auf anderen Kontinenten nach Talenten sucht. Der Niedergang des klassischen Hollywoods ist unaufhaltsam und gleichzeitig ist der Hunger der Streamingdienste nach Inhalten und frischer Kreativität ungebremst. Bei den großen Playern herrscht ein wahnsinniges Bedürfnis nach neuen Inhalten. Und deshalb wird auch in Deutschland nach Regisseuren gesucht.
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