Gespräch mit Irina Potapenko
Christina Chorol
Christina Chorol weiß, wie es sich anfühlt, Mutter zu sein. So soll es diesmal jedenfalls nicht sein. Da ist die Hoffnung, dass es nicht so sehr schmerzt, sich von ihrem Kind trennen zu müssen. Unterschätzt hat sie aber, wie sehr ihr Baby Teil von ihr ist. Liebe, Beschützerinneninstinkt, Verantwortungsgefühl, ganz gleich, wie man es nennt: Christina kann es nicht ganz ausblenden. Und dann ist da noch etwas ganz anderes: das Gefühl, betrogen zu werden. Kein edles Gefühl. Jetzt sind sie auf dem Weg nach Wacken, Christina und das zerbrechliche Wesen, das hilfsbedürftig in ihren Armen liegt. Um sie herum strömen gut gelaunte Heavy-Metal-Fans ebenfalls Richtung Festivalgelände. Größer könnte der Kontrast kaum sein zwischen der gespann - ten Vorfreude auf brettharte Musik in friedlicher Atmosphäre und einer vorgezeichneten emotionalen Katastrophe. Dass die doppelt und dreifach so groß ausfällt wie befürchtet, ruft allerdings bei Christina eine Widerstandsfähigkeit auf den Plan, mit der sie nie im Leben gerechnet hätte.
Gespräch mit Irina Potapenko
»Was ist Glück? Ist es ein flüchtiges Gefühl, das einem besonderen Moment geschuldet ist, oder eine Überzeugung, der man nacheifert, bis man des Besseren belehrt wird? Ich glaube, dass für jeden Menschen Glück etwas anderes bedeutet und sich auch je nach Lebenssituation, nach neu erworbenen Erfahrungen und Erkenntnissen in seiner Bedeutung verändern kann. Im Falle von Christina lässt sich das über den materiellen Wohlstand definieren, der für ihre Familie und sie selbst in erster Linie einem Schutz und einer Entlastung gleichkommt – ist die Biografie von Christina doch von Krieg und Fluchterfahrungen geprägt, was in diametralem Gegensatz zu dem Leben der Dorfbewohner und auch der WackenFans steht. Schon am Anfang hat mich der Mut und starke Charakter Christinas fasziniert. Ich empfand sie als eine Löwin, die bereit ist, auf Kosten persönlicher Entbehrungen alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine bestmögliche Zukunft für ihre Fami - lie zu sichern. Diese Figur handelt jenseits von Gut und Böse, denn es geht hierbei um existenzielle Fragen. Doch was dann im Laufe der Geschichte geschieht, stellt ihre Überzeugung und ihr eigenes Handeln in Frage.
Für mich war es spannend zu erforschen, auf welche Weise sich die erworbenen Überzeugungen von Christina verändern und welche neuen Kräfte in ihr durch die entstandene Situation geweckt werden. Und nicht zuletzt – was geschieht mit ihrer Definition des Glücks? Wird es zum Schluss überhaupt noch eine Rolle spielen?«
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