Eine der tragischsten Figuren, die ich je gespielt habe
Interview mit Florian Bartholomäi
Herr Bartholomäi, Sie sind 1987 geboren. Ein Jahr, in dem der "Tatort" auch ein kleines Jubiläum feierte, denn "Zahn um Zahn" mit Kult-Ermittler Horst Schimanski ging als 200. TATORT auf Sendung. Wie ist Ihr persönlicher Bezug zum "Tatort" und was bedeutet es Ihnen, Teil des großen Jubiläums im 1.000. "Tatort" zu sein?
Es ist eine große Ehre für mich, im 1.000. "Tatort" spielen zu können. Es war Tradition, sonntags daheim den "Tatort" mit meiner Familie zu schauen. Überhaupt die ersten Krimis, die ich gesehen habe, und mein erster bewusster Kontakt mit deutschen Filmen. Ich finde es spannend zu beobachten, wie sich der "Tatort" mit der Zeit verändert hat. Neue Erzählweisen werden ausprobiert und debattiert, das finde ich gut. Momentan spielt die Handlung der meisten "Tatorte" in ein bis fünf Spieltagen. Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft diese Erzählzeit länger wird und somit die Figuren mehr Möglichkeiten zur Veränderung haben.
Sie verkörpern im Film den ehemaligen KSK-Soldaten Rainald, der die beiden Kommissare in seine Gewalt bringt und nichts mehr zu verlieren hat. Welchen Reiz hat die Rolle auf Sie ausgeübt? Was haben Sie in der Figur gesehen?
Rainald ist eine der tragischsten Figuren, die ich je gespielt habe. Er ist in einer ausweglosen Situation, hat einen hohen Gerechtigkeitssinn und weiß, was er tut. Es war für mich sehr spannend herauszufinden, was bei Rainald antrainiertes Verhalten ist und wo lange unterdrückte Gefühle sein Handeln übernehmen. Die Rolle hat meine private Meinung zur Bundeswehr im Laufe der Recherche verändert und korrigiert. Ich habe einen hohen Respekt vor den Soldaten, die auf die Luxusgesellschaft und Bequemlichkeit bewusst verzichten und dennoch öffentlich kaum Anerkennung für ihre harte Arbeit bekommen. Die psychische Stärke und Belastbarkeit eines spezialisierten Soldaten muss enorm sein – und diesen Punkt zu spielen, an dem so jemand die Kontrolle verliert, war eine große Herausforderung für mich.
Sie haben schon in verschiedenen "Tatorten" mitgewirkt, auch bereits in der Rolle des Mörders. Wie haben Sie sich auf Ihre Figur im 1.000. "Tatort" vorbereitet?
Als ich die Zusage bekam, machte ich einen Luftsprung und fing sofort mit der Vorbereitung an. Ich packte den Rucksack und schlief die erste Nacht im Wald. Eine Checkliste zum ersten Eignungsfeststellungsverfahren, dem EFV des KSK, gibt es online. Diese habe ich ausgedruckt und abgearbeitet und damit am eigenen Leib körperliche und psychische Grenzen erfahren und gelernt, darüber hinauszugehen. Ich habe einige Führerscheine, habe Fallschirmspringen vor Jahren gelernt, klettere gerne und mein langjähriges Hobby ist die Kampfkunst WingTai. Außerdem habe ich mich mit Schusswaffen beschäftigt, mit Gebäudestrukturen, Berichten aus Kampfeinsätzen und und und. Und überhaupt habe ich meine Umgebung mit neuer Wachsamkeit gesehen und sehr bewusst wahrgenommen.
Alfred Hitchcock hatte in den 1960er Jahren bereits die Vision, einen Film komplett in einer Telefonzelle zu drehen. Ganz so eng war es im Taxi zwar nicht, dennoch eine spezielle Situation für einen Schauspieler. Wie kann man sich entfalten, wenn man große Teile der Strecke hinter dem Steuer sitzt und wie konnte Regisseur Alexander Adolph Sie hier inspirieren?
Ich kenne keinen Film, der so lange in einem Auto spielt. Es ist ungewohnt, viele Szenen nicht körperlich unterstützen zu können. Auch ich war als Schauspieler gefangen im Taxi. Unsicherheiten zu verstecken oder zu kaschieren ist da fast unmöglich. Es war nicht einfach, über viele Wochen ein klares Verhältnis von Geiselnehmer und Geiseln aufrechtzuerhalten. Immer wenn ich in das Auto stieg, gingen meine Alarmglocken an. Alexander Adolph hat mich auf diesem Weg und in der Vorbereitung super unterstützt. Er hatte ein klares Bild der Figur im Kopf, und ich konnte mich darauf verlassen, von ihm korrigiert zu werden. Eine tolle Zusammenarbeit!
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