Gespräch mit Axel Milberg

Tatort: Borowski und der brennende Mann
Axel Milberg spielt "Tatort"-Kommissar: Borowski.

»Sadismus verstört mich grundsätzlich am Allermeisten.«

Wer ist ihr Lieblings-Filmbösewicht?

Der Serienmörder in "Wolf Creek", einem australischen Thriller, der auf einer wahren Begebenheit basiert. Der Schauspieler heißt John Jarratt. Und in der Wirklichkeit: Einer der widerlichsten war John Wayne Gacy, der auf Kindergeburtstagen gern als Clown auftrat. Und mindestens 30 (!) hübsche Jungs zu Tode folterte. John Malkovich gab eine Champagnerparty in der Stunde, als Gacy hingerichtet wurde. Dessen letzter Satz an die Angehörigen der Opfer: Kiss my ass.

Was macht Ihnen Angst am Menschen?

Sadismus verstört mich grundsätzlich am Allermeisten, dass also ein Mensch zum Objekt wird, Folter und Mord, der Mangel an Empathie, oft noch mit sexueller Befriedigung verbunden.

Sie haben an den Münchner Kammerspielen lange Zeit große Erfolge gefeiert. Was haben Sie von den großen Klassikern gelernt über den ewigen Kampf Gut gegen Böse?

Es gibt für uns Schauspieler nicht Gut und Böse, das sollte es in diesem Zusammenhang erst mal nicht geben, nur das Interesse der Figur, die ich spiele, ihre Lust und Absichten, auch ihre Gier. Das kann dann ein Zuschauer moralisch bewerten. Diese spätere Wertung darf den Interpreten aber nicht beeinflussen.

Ist "Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes" der beste "Tatort", den Sie je gedreht haben?

Er gehört eindeutig zu den besten Kieler Borowskis.

Lars Eidinger ist ein Ausnahmeschauspieler seiner Generation. "Die Rückkehr des stillen Gastes" erzählt eine Art Duell-Situation. Wie haben Sie sich vorbereitet auf diese besondere Wiederbegegnung? Haben Sie an der Entscheidung zur Fortsetzung des "Stillen Gastes" mitgewirkt?

Ich habe mich vorbereitet durch meine Beteiligung an der Buchentwicklung. Es sollte ja am Besten weit hinausgehen über den Teil 1. Übrigens, wer hat‘s bemerkt? – Ein Mord findet gar nicht statt im Teil 2.

Im Vorgängerfilm "Borowski und der stille Gast" entkommt Kai Korthals. Was hat diese Niederlage in Borowski hinterlassen? Was ist das für ein Gespenst, das Borowski am Anfang des Films in seiner Wohnung zu sehen glaubt?

Es blieb eine gewisse Bedrohung zurück, eine diffuse. Unangenehm sind diese unerledigten Fälle. Das geht auch den echten Ermittlern so, man liegt nachts wach, grübelt, liest noch mal in die Akte rein – zumal der Täter ja ermittelt und festgenommen war. Eine peinliche Panne. Ärgerlich eher, aber kein Grund für Borowski, Korthals zu dämonisieren.

Kollegin Sarah Brandt scheint viel früher als Borowski zu spüren, mit welchem Gegner sie es wieder zu tun haben. Warum ist seine innere Stimme zunächst so leise?

Sarah Brandt allerdings war vor Jahren diesem Mörder hilflos ausgeliefert. Leidet daher unter einem klassischen Trauma, psychisch und auch physisch. Sie erkennt daher schneller als Borowski, dass das gemalte Phantombild Korthals zeigt, ihren Albtraum. Und wieder ist er zum Greifen nah.

Borowski "erwacht" erst endgültig, als seine Geliebte Frieda entführt wird. Er stürzt ins Bodenlose, sein großes Liebesglück steht auf dem Spiel. Wieviel griechische Tragödie kann man dem Kommissar zumuten?

Die griechische Tragödie meint im eigentlichen Sinn ja: Der Beschluss der Götter besiegelt ein unausweichliches Schicksal, der Mensch wehrt sich, bäumt sich auf. Aber das Ende steht fest. Dieser Kampf trotzdem(!) ist die Tragödie! Dennoch: Hier wird das Ende nicht verraten.

Der Zuschauer erlebt am sonst so einfühlsamen und besonnenen Kommissar völlig neue Seiten eines Kontrollverlusts. Ist Borowski in seiner emotionalen Ausnahmesituation nicht mehr er selbst – oder eben gerade doch?

Ermittler, Richter, Anwälte, Gefängnisdirektoren werden persönlich viel zu oft bedroht. Sogar in Deutschland. Ich kann das immer gar nicht glauben! Was tun? Borowski wird ein "asymmetrischer" Kampf aufgezwungen, ein sehr persönlicher. Was tun, wenn das Schwein in deiner Wohnung steht? Antäuschen, verteidigen, angreifen, Tugenden aus dem Fußball sind hier gefragt. Aber auch mal ein Foul. Und schließlich: Jäger und Gejagter werden sich einander immer ähnlicher. Angst, Gier und Kampf entstellen die Männer, ihre Gesichter werden fratzenhaft. Finale: Auf dem Dach des Hochhauses verhindert Borowski den angedeuteten Selbstmord des Täters. Korthals soll sich verantworten, er soll dem Gericht unversehrt übergeben werden und eines Tages seine Gefängnisstrafe antreten. Der Profi Borowski hat gesiegt.

Borowski rettet Frieda, verliert sie aber. Er hat viele Grenzen überschritten in diesem Fall (Geiselname, Selbstjustiz). Wie hinterlässt ihn die Begegnung mit dem stillen Gast?

Klaus Borowski wird große Genugtuung verspüren, wie nach einem Fünfsatzmatch im Tennis, das mehrmals wegen Regen unterbrochen werden musste. Und ich glaube, er wird nun ausgeglichen sein – ohne Frida glücklich sein können, denn er hat sich entschieden. Er hätte ja den Dienst quittieren können. Nein, so haben wir hoffentlich noch viele spannende Jahre.

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