Der Jade Weser Port – Ein perfekter "Tatort"

Ein Essay von Christina Gerlach, NDR Studio Oldenburg

Katharina Lorenz und Thorsten Falke
Der neue Fall für die Ermittler im Norden: Bei einer Gasexplosion in der Nähe eines Containerterminals kommen ein Menschenhändler und zwei Polizisten ums Leben. | Bild: NDR / Boris Laewen

Lange bevor der "Tatort" den Jade Weser Port für sich entdeckt hat, gab es dort schon die ersten Leichen: die sprichwörtlichen im Keller. Ausreichend für einen veritablen Wirtschaftskrimi, der sich um den ersten und einzigen deutschen Tiefwasserhafen rankt. Wie so oft geht es dabei ums Geld. Eine Milliarde Euro. Ganz stattlich für einen Kai, kühn ins Meer gebaut, mit vier tideunabhängigen Liegeplätze für Mega-Schiffe der neusten Generation: Containerfrachter, die so groß sein sollen, mit so viel Tiefgang, dass sie andere Häfen nur schwer erreichen können. Die große Chance für Wilhelmshaven.

Mauerblümchen im Norden und ein Schlusslicht im niedersächsischen Städtevergleich – jetzt endlich im Aufwind. Drei Politiker bestimmen den Kurs. Niedersachsens Ministerpräsident und die Bürgermeister von Bremen und Hamburg. Ein bodenständiges Agrarland und zwei gewiefte Hansestädte also, die eine mächtig und weltoffen, die andere stets als kleine Stiefschwester belächelt. Mag sein. Doch die Bremer sind mit allen Wassern gewaschen. Durch Verhandlungsgeschick müssen sie nur ein Bruchteil der Millionen zahlen, dürfen aber über alles mitbestimmen. Beste Voraussetzungen also für böses Blut.

Und überhaupt: So eine Dreierbeziehung belebt jeden Krimi. Immer muss einer von dreien dran glauben. Auch beim Jade Weser Port. Hamburg geht über Bord. Gebaut wird trotzdem. Nur, der Stahl für die 1700 Meter lange Spundwand ist gerade erst bestellt, da treffen sich die Beteiligten schon vor dem Richter. Die unterlegene Baufirma erstreitet sich den lukrativen Großauftrag – gegen den ursprünglichen Gewinner der Ausschreibung. Damit ist die erste Leiche im Keller. Gemeinsam gemeuchelt von bösen Buben aus Politik und Bauwirtschaft, wird gemunkelt. Das Prestigeprojekt an der Außenjade gerät in schwere See.

Die Reeder lassen den Jade Weser Port links liegen

Doch auch landseitig gibt es mächtig Probleme – mit der Rohrdommel. Eine schwer vom Aussterben bedrohte Vogelart, den der Baulärm den Rest geben könnte. Bremen und Niedersachsen spendieren dem verborgenen Paar, das übrigens nie jemand mit eigenen Augen gesehen hat, eine Lärmschutzmauer. Drei Kilometer lang, vier Meter hoch, fünf Millionen Euro teuer. Direkt neben der Bahnstrecke zum Hafen. Bis heute ein selten genutztes Gleis, weil die Hinterlandanbindung zum Jade Weser Port immer noch eine Dauerbaustelle ist. Und weil auch eher selten Schiffe an der teuren Kaimauer festmachen.

Aber weit draußen braut sich noch mehr zusammen: Irgendetwas muss bei den Rammarbeiten schief gelaufen sein. Die Stahlspundwand platzt auseinander, hat 400 Risse. Der feierliche Eröffnungstermin war längst auf den 5. August 2012 terminiert, aber dass er gehalten werden kann, daran glaubte niemand mehr – außer den verantwortlichen Politikern. Die stemmten sich tapfer gegen den medialen Sturm. Und erlitten Schiffbruch. Die Einweihung des Jade Weser Port musste um sechs Wochen verschoben werden. Zähes Ringen also hinter den Kulissen.

Und da vorne, an der Kaimauer? Da herrscht Flaute – gähnende Leere. Die Reeder lassen den Jade Weser Port links liegen. Gigantische 2,7 Millionen Container könnten dort jährlich umgeschlagen werden. Im ersten Jahr waren es gerade mal mickerige 76.000. Hafenbetreiber Eurogate bleibt zuversichtlich. Die Megaliner werden Wilhelmshaven schon noch entdecken, heißt es. Gerade weil die dicken Pötte in Zukunft noch dicker werden, mit Platz für 16.000 Container und mehr. Die können dann nicht mehr so ohne weiteres über Elbe und Weser nach Hamburg und Bremerhaven schippern. Ein bisschen wird es also noch dauern, bis der Jade Weser Port in Fahrt kommt. Der Wilhelmshavener Küstenkrimi ist noch lange nicht zu Ende.

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