Di., 14.03.23 | 05:30 Uhr
Buchtipp: Gefühle
von Thomas Schindler, Literaturexperte
Lone Frank: Liebe. Vom höchsten der Gefühle
Kein & Aber 2023, 352 Seiten, 25 Euro
Wie liebe ich mich selbst, wie liebe ich andere: Partner, Freunde, Familie, Haustiere? Was ist das überhaupt Liebe?
Die dänische Neurobiologin Lone Frank hinterfragt in ihrem neuen Buch "Liebe", was es mit dem höchsten der Gefühle aus wissenschaftlicher Perspektive auf sich hat.
Die Evolutionsbiologen können mir erklären, aus welchem Grund sich unsere behaarten Vorfahren in der Savanne von den Affen abgespalten und die erste Paarbeziehung eingeführt haben. Die Neurowissenschaftler und Biochemiker können enthüllen, wie unser Gehirn Liebe erlebt (…) Genetiker belegen, dass subtile Veränderungen in unserer Erbanlage individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und in unseren Fähigkeiten bewirken können. Aber erst Psychologen und Anthropologen sind in der Lage zu erklären, wie unsere Lebensweise die Liebe formt (…)
Lone Frank gelingt die naturwissenschaftliche Erörterung und Einordnung der Liebe, wobei die soziohistorische Perspektive etwas stiefmütterlich behandelt wird, aber das würde wohl den Rahmen sprengen. Gene und Liebeschemikalien, Hormone wie Oxytocin und Vasopressin, gehen einher mit Veränderungen in der Qualität der Liebe, je nachdem, wie stark sie ausgeschüttet werden. Das ist erst einmal die biologische Konstitution, auf der sich kulturell geprägtes Verhalten bildet.
Das Buch ist reich an Erkenntnissen, so stimmt gleichermaßen optimistisch wie es ernüchtert, dass es Liebe wirklich gibt, die „keine Schranken, keine Hindernisse und Grenzen“ kennt. Aber sie ist eher selten. Lone Frank spricht sich für einen „breiten“ Begriff von Liebe ist. Die romantische Liebe der idealtypischen Paarbeziehung ist eine Liebesform von vielen:
Liebe ist kein Gefühl. (…) Es ist eine Qualität einer Verbindung, das Band zu einem anderen Menschen. Dieses Band kann alle möglichen Gefühle auslösen, alles von Ekstase bis Raserei, manchmal sogar Hass. Aber es gibt ein Band, das allem übergeordnet ist, das anzeigt, wie sehr du dich verpflichtet fühlst und was du bereit bist, für einen anderen Menschen zu tun.
Dies ist nicht nur ein analytisches Buch über die Liebe, sondern auch eine biografische Erzählung.
Lone Frank schildert eindringlich Ihre eigene schwierige und schmerzvolle Lebensgeschichte, der Vater Alkoholiker, der frühe Tod Ihrer Mutter und der Tod Ihres Lebenspartner. Diese doppelte Erzählstrategie aus Sachbuch und Biografie ist mittlerweile ein häufig verwendeter Stil in der Gegenwartsliteratur, der auch Lesergruppen erschließt, die vielleicht sonst nicht zu einem wissenschaftlichen Buch greifen würden.
Und am Ende einer langer Recherche steht das Zitat:
Die Liebe ist nicht das Ziel, kein sicherer Ort, den man erreichen muss, um erleichtert aufatmen zu können. Die Liebe ist der Weg dorthin.“
Bas Kast: Kompass für die Seele
C. Bertelsmann Verlag 2023, 256 Seiten, 24 Euro
Bas Kast ist „DER“ Lebenszeit-Verlängerungs-Bestsellerautor der Gegenwart. Sein Buch der Ernährungskompass, ein Ratgeber, der etliche Studien zur Ernährung zusammenfasst und darlegt, welche Ernährungsweise sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt, kommt auf 221 Wochen in der SPIEGEL-Bestsellerliste und wurde bis dato über 1,2 Millionen Exemplare verkauft und in über 20 Sprachen übersetzt.
Aktuell ist der Nachfolger erschienen „Kompass für die Seele“, ein Ratgeber und Erfahrungsbericht in Sachen mentaler Gesundheit, direkt auf Platz 1 der Bestseller-Liste eingestiegen.
Das Buch ist nicht der Lebensweisheit letzter Schluss, aber auch kein Mental Couch Firlefanz. Hier und da stört Banales, „Eine Wanderung im Grünen hilft gegen Grübeln“, aber Bas Kast gelingt es, einer breiten Leserschaft Tipps an die Hand zu geben, was der Seele guttut und ausgeglichener macht.
Im Selbstversuch widmet er sich den Themen Ernährung (die ersten 40 Seiten sind eine Zusammenfassung seines Bestsellers), Meditation und auch Drogen, die er unter Aufsicht nimmt und aktuelle Studien zur heilsamen Wirkung von Pilzen, LSD und MDMA vorlegt, gerade auch bei Depression oder bei der Trauma-Therapie.
Bewegung in der Natur, Spazierengehen und Sport stellen sich immer wieder als einfachste und beste Lösung heraus, die eigene Befindlichkeit schnell und nachhaltig zu verbessern.
Die existentielle Frage, ob es einem nicht gut geht, weil man vielleicht ein Leben führt, beruflich und/oder privat, dass man gar nicht führen will, es also eine radikale Wendung braucht, stellt das Buch nicht. Aber ich glaube, dass Leser und Leserinnen, die Alltagsprobleme haben, wie Stress oder Antriebslosigkeit, hier einige hilfreiche "Tools" erhalten, anzufangen und etwas zu verändern.
Stand: 14.03.2023 07:44 Uhr
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