So., 28.07.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Die Hoffnung auf eine gute Zukunft schwindet
Als das Atomabkommen vor vier Jahren verabschiedet wurde, waren viele Iraner voller Hoffnung auf die Zukunft. Vor vier Jahren hat ARD-Iran-Korrespondentin Natalie Amiri Ghazal Shakeri und andere Iranerinnen getroffen, um mit ihnen über die Erwartungen zu sprechen. Jetzt hat sie die Frauen wieder besucht. Von der Zuversicht nach dem Abkommen ist nicht mehr viel geblieben.
US-Sanktionen werden ständig verschärft
Ghazal Shakeri ist Schauspielerin – eine ziemlich bekannte im Iran. Sie singt auch, dass darf sie aber nicht in der Öffentlichkeit. Frauen ist es untersagt in der Islamischen Republik zu singen. Dabei hatte sie die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden würde. Vor genau vier Jahren haben wir schon einmal mit ihr gesprochen - ein paar Tage, nachdem das Atomabkommen abgeschlossen worden war. Sie saß damals mit ihrer Mutter, einer Filmproduzentin und anderen Schauspielerinnen zusammen. Sie hofften durch die Öffnung Richtung Westen wird die Situation für Künstler im Iran besser: "Es wurden immer weniger Bücher geschrieben, weniger Filme produziert, viele internationale Kooperationen stehen still. Jetzt sind wir sehr glücklich, denn unsere Politiker haben die internationale Sprache gelernt und sprechen transparent miteinander."
Heute ist sie traurig: "Die aktuelle Politik baut jedes Mal, wenn sich eine Türe der Freundschaft öffnet, dahinter eine Wand auf. Manchmal frage ich mich, ob diese Feindschaften, dieser Druck auf die Bevölkerung in verschiedenen Ländern wirklich mit Frieden endet oder ob es wieder zu einem Fehler kommt, der sich ständig in der Geschichte wiederholt"
Ghazal warnt vor einem Krieg, der fast täglich aus Versehen passieren kann. Tankerangriffe am Persischen Golf, US- und iranische Drohen werden gegenseitig abgeschossen, US-Sanktionen werden seit dem Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabkommen seit mehr als einem Jahr fast täglich verschärft. US-Präsident Trump droht, die Revolutionsgarde droht zurück, der Region droht eine Eskalation.
Hoffnung auf Wirtschaftsaufschwung nach Atomabkommen
Dabei waren die jungen Menschen im Iran 2015 so sehr bereit für eine Annäherung an den Westen, hofften auf Wirtschaftsaufschwung, sehnten sich nach Normalität. Sie erwarteten Arbeitsplätze, die durch ausländische Investitionen geschaffen werden sollten. Investitionen und Know-how, die braucht mein Land, erzählt die junge Start-up Unternehmerin Nazanin Daneshvar vor vier Jahren. Sie baute gerade ihre Internet Firma auf, hoffte auf ausländische Unterstützung. Und auf gut ausgebildete Iraner, die wieder ins Land zurückkommen: "Dass sich der Iran an den internationalen Markt anschließt hilft uns, dass sich die Türen für ausländische Firmen im Iran öffnen. Und dadurch kommen unsere Unternehmen hier aus der Regionalität heraus und können optimiert werden."
Heute ist sie wütend: "Die jetzige Lage, in der wir uns durch den internationalen Konflikt befinden, ist weder fair noch vernünftig. Meiner Meinung nach hat der Iran laut der internationalen Berichte alle seine Verpflichtungen im Atomabkommen erfüllt. Und Trump ist ohne einen Plan zu haben, nur wegen einiger Wahlkampf-Versprechen aus dem Atomdeal ausgestiegen. Heute sehen wir, wie er jeden Tag einen Schritt näher an den Iran rückt. Zuerst kommt er mit Vorschlägen, dann sanktioniert er uns wieder. Er überträgt so seine Verwirrung auf die internationalen Beziehungen. Die Kritik an ihm hat seine Berechtigung. Keiner weiß, welchen Zweck die Politik von Trump dem Iran und auch anderen Ländern gegenüber erfüllen soll."
Iranische Bevölkerung in Ohnmacht erstarrt
Die Wut in der Bevölkerung ist groß. Dieses Mal nicht nur auf die eigene Regierung. Es ist die Ohnmacht die die Menschen erstarren lässt. Die Sanktionen haben innerhalb eines Jahres zu Inflation, Währungsverfall und einer Wirtschaftskrise geführt, die der Bevölkerung die Luft zum Atmen nimmt. Vor vier Jahren hatte Nagmeh Kiumarsi, eine bekannte Modedesignerin aus Teheran, die große Hoffnung, dass durch das Atomabkommen auch die Kaufkraft der Bevölkerung im Land wächst: "Wir alle sind wie Zahnräder in der Wirtschaft. Wir bedingen uns gegenseitg. Wenn es dem einen gut geht, dann geht es dem nächsten auch besser. Darauf hoffen wir jetzt."
Heute ist Nagmeh Kiumarsi frustriert: "Klar hatten wir alle Hoffnung in die Zukunft und wir wollten und das wäre unser Recht gewesen, weiterkommen. Aber was wir jetzt erleben ist einfach ungerecht. Diese Situation hat den Druck auf uns erhöht und das wirtschaftliche Elend wird überall im Land gespürt. Leider ist das die Wahrheit, und ich weiß nicht, ob wir noch etwas tun können."
Sie alle wurden in ihrer Hoffnung enttäuscht. Trotzdem sind diese drei Frauen geblieben, sie wollen ihr Land nicht aufgeben. Doch Tausende, die Monat für Monat den Iran verlassen, haben ihre Hoffnung auf eine sichere positive Zukunft in ihre Heimat aufgegeben.
Autorin: Natalie Amiri, ARD-Studio Teheran
Stand: 28.07.2019 21:32 Uhr
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