Mo., 09.07.18 | 04:50 Uhr
Das Erste
Peru: Gleichberechtigung auf dem Fußballfeld
Peru hat sich nach 36 Jahren wieder für eine FIFA Fußball-WM qualifiziert. Seitdem ist das Land im Ausnahmezustand. Denn bislang waren die Erfolge bescheiden, dabei ist Fußball doch mit Abstand Sportart Nummer eins. Sogar in den Anden, wo seit ein paar Jahren Frauen nicht nur auf dem Feld ackern, sondern auch mit Sandalen an den Füßen kicken.
Auf 3.700 Meter liegt ein Fußballplatz mitten in den Anden. Hier beginnt donnerstags alles mit Zöpfe flechten für das Auswärtsteam aus Ayllamaca. Danach wird die Aufstellung besprochen. Für die Defensive ist Gloria Bara zuständig: "Es ist ein beinharter Konkurrenzkampf. Immer! Aber klar, nach dem Fußballspiel sind wir wieder Freundinnen." Und Stürmerin Nilda Mora ergänzt: "Ich will immer Tore schießen, egal ob mit dem Kopf oder mit dem Fuß." Das wollen auch die Konkurrentinnen aus dem Andenbezirk Chinchero. Einmal pro Woche streiten vier Frauen-Fußballteams um die Vormachtstellung.
Kicken ohne Montera
Einziger Mann auf dem Feld ist der Schiedsrichter. Vor Spielbeginn legen die Quechua-Frauen den Montera ab — den Hut, der sie sonst vor der Höhensonne schützt. Wegen der Kälte - um die sechs Grad – ist Gloria froh, dass sie ihre bestickte Jacke, den "Corpiño", nicht ablegen muss. Den Gegnerinnen dagegen bleiben nur drei Lagen Unterrock zum Wärmen. Mit Tempo geht es hin und her. Diese Frauen kennen keine Kurzatmigkeit. Coricanchas Trainer treibt sein Team an. Doch ein Torjubel gibt es erstmal nicht. Dank exzellenter Defensivarbeit steht es zur Halbzeit null zu null. "Wir haben ja noch die zweite Halbzeit, um zu gewinnen. Wir schaffen das noch, wenn wir kämpfen", sagt Gloria Bara.
Doch dafür muss unbedingt ein Tor her in Halbzeit zwei. Gar nicht so leicht. Die chaotischen Quechua-Kickerinnen aus Chinchero sind mittlerweile bekannt in ihrer gesamten Andenregion. Dann gibt es Elfmeterschießen. Die Gegnerinnen gewinnen. "So ist das im Fußball. Mal gewinnt, mal verliert man. Wir werden den Fußball aber nie aufgeben", Gloria Bara. Denn die gesamte Gemeinde findet donnerstags hier zusammen – geeint durch den Frauenfußball. Am Ende gewinnt Coricancha das Turnier. Der Bürgermeister verteilt an jedes Team Schüsseln voll Reis und Nudeln – dazu Limonade. Die Siegerinnen erhalten das Trikot der peruanischen Nationalmannschaft, auch wenn sie es auf dem Platz wohl nie tragen werden.
Fußballfrauen sind der Stolz des Andenbezirks Chinchero
Die Fußballfrauen sind seit wenigen Jahren der Stolz des Andenbezirks Chinchero. Die Quechua-Ureinwohner leben von der Lama-Zucht, Schafen und ihrem Stück Land. Früher waren die Andenvölker streng patriarchalisch. Doch die Frauen von Glorias Generation haben sich Rechte erkämpft. Auf dem Acker arbeiten Männer und Frauen der Familie gleichermaßen. Gleichberechtigung – wie beim Fußball. "Die Arbeit zu Hause, auf dem Feld und mit den Kindern ist stressig. Ich fluche oft. Wenn ich aber Fußball spiele, ist all das vergessen. Da schreien wir vor Glück", sagt Gloria Bara.
Neben einem Stück Land, besitzen die Quechuas Cuys – Meerschweinchen. Eine Delikatesse in Peru. Deren Fleisch helfe gegen Blutarmut, erzählt Gloria. Gerade als Fußballerin bereite sie deshalb die Tiere einmal die Woche zu – nach einem Rezept der Schwiegermutter. Sie ist die einzige Analphabetin der Familie: Schulbildung oder Fußballtraining war vor allem für Frauen früher unvorstellbar. Glorias Freiheiten bewundert sie. "Es wäre so schön gewesen, wenn ich auch früher Fußball hätte spielen können, so wie Gloria", sagt Schwiegermutter Cayetana Cusihuaman.
Autor: Matthias Ebert, ARD Studio Rio de Janeiro
Stand: 27.08.2019 00:32 Uhr
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