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Argentinien: Angst vor der EU

Argentinien: Angst vor der EU | Bild: Xenia Böttcher / SWR

Marité Alvarez liebt, was sie tut. In Fortin de Soledad, im Gran Chaco Argentiniens führt sie zusammen mit ihrem Mann eine kleine Farm mit 200 Rindern. Ihr Fleisch verkaufen sie bislang nur in Argentinien. Und sie sind stolz auf ihre Zucht: "Ich liebe es, wenn die Kunden sagen, wie gut ihnen unser Fleisch schmeckt. Wenn es ihnen schmeckt, möchte ich sie am liebsten abknutschen."

Seit Generationen ist die Familie hier zu Hause. Und Marité betont, dass ihre Tiere im Einklang mit der Natur leben: Ihre Rinder ziehen weite Strecken, um zu grasen. Es gibt keine Mast, es geht den Kleinfarmern nicht um maximalen Profit.
Doch die Familie fühlt sich zunehmend unter Druck: Große Farmen entstehen in ihrer Nachbarschaft mit 3000 Rindern und mehr, vor allem mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten.

Gran Chaco

Der Gran Chaco ist ein sehr diverses Ökosystem, das sich vom Norden Argentiniens über Paraguay bis Bolivien erstreckt, nach dem Amazonas-Regenwald das zweitbedeutendste in Südamerika. Das Land ist eben und fruchtbar und deshalb für die Agrarindustrie höchst interessant. Laut Greenpeace wurden hier allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 51.000 Hektar für die Rinder- und Soja-Produktion gerodet, für den Export nach China und Europa. Nun will die EU mit Ländern aus Südamerika, den sogenannten Mercosur-Staaten, das größte Freihandelsabkommen der Welt schließen. Wenn das Abkommen wirklich zustande kommt, dann steige der Anreiz für noch mehr Massenproduktion.

300 Kilometer weiter in Tres Pozoz leben 400 Indigene des Wichí-Volkes. Es sei ein Leben in Armut, erzählen sie, zu bewältigen nur noch mit Unterstützung des Staates, weil ihr Lebensraum seit Jahrzehnten eingeschränkt wird. Für sie hat das Freihandelsabkommen keinen Nutzen, sie fühlen sich davon bedroht. Traditionell waren die Wichí Nomaden, Jäger und Sammler, die weite Wege zurücklegten, um sich von der Natur zu ernähren. Ihrem Lebensstil aber wurden Grenzen aus Stacheldraht gesetzt, trotz ihrer Proteste. Einen Zaun hat ein Rinderzüchter aus Buenos Aires aufgestellt. Und der hat die Bäume für sein Weideland gefällt. Die Wichí fürchten: kommt das Freihandelsabkommen, ist für sie kein Platz mehr, denn es fördere Großunternehmer, für die nur der Profit zähle.

Die EU, der Mercosur und der Freihandel

1000 Kilometer entfernt, findet in Buenos Aires die Landwirtschaftsmesse statt. Hier setzt man auf das Freihandelsabkommen. Denn der Rindfleisch-Export ist existenziell wichtig für die argentinische Wirtschaft, die so tief in der Krise steckt und so dringend Devisen braucht. Doch es gibt Probleme: Die Europäische Union streitet sich mit den Mercosur-Staaten über den Waldschutz. Die EU fordert, dass die Rodungen enden. Parallel zu den Verhandlungen hat die EU ein Gesetz erlassen, wonach Produkte wie Rindfleisch nicht importiert werden dürfen, wenn sie ab 2021 mit der Zerstörung von Wäldern in Zusammenhang stehen.

Zurück im Gran Chaco: Marité und ihr Mann würden Verbote für Rindfleisch aus abgeholzten Wäldern absolut befürworten. Noch wird verhandelt: Marité fände es gut, wenn das Freihandelsabkommen kleinen Farmern den Zugang zum Markt öffnet und nur denen die nachweisbar nachhaltig produzieren. Das Verhältnis von Ökologie und Ökonomie müsse grundsätzlich neu gedacht werden.

Autorin: Xenia Böttcher, ARD Rio de Janeiro

Stand: 01.10.2023 22:13 Uhr

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