So., 15.09.19 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Mit Bitcoins gegen die Krise
Sie können überall sein, in Teheran oder in der gesamten Islamischen Republik. Sie brauchen nur Strom: Schürfrechner, die Bitcoins generieren. Ein neuer Wirtschaftszweig für ein Land und eine Bevölkerung, die in wirtschaftlicher Isolation lebt. Ein Wirtschaftszweig, für den es noch keine Gesetze im Gottesstaat gibt; eine Gratwanderung für die Menschen, die Geld verdienen wollen, zwischen Legalität und Illegalität. Deshalb stehen tausende von Rechnern an geheimen Orten.
Vor der Kamera will niemand sprechen. Wir bekommen aber Videos und Bilder zugeschickt, in denen uns Iraner zeigen, wie sie in Lager- und Gewächshäusern, sogar in Moscheen Schürfrechner angeschlossen haben, denn dort ist Strom billig oder umsonst, subventioniert vom Staat. Eine Kilowattstunde Strom kostete im Iran 0,3 Cent – bisher.
Aktion gegen Schürfer
Doch damit soll jetzt Schluss sein. Iranische Behörden gehen jetzt gegen die Miner vor. Im Staatsfernsehen sagen sie, der plötzlich hohe Stromverbrauch im Land hat sie darauf aufmerksam gemacht.Allein im Juni soll der Energieverbrauch um sieben Prozent gestiegen sein, was man vor allem auf Kryptogeldschürfer zurückführt.
Wir erhalten einen Anruf: Ramtin, ein junger IT-Bitcoinberater ist doch bereit mit uns zu sprechen. Wir fahren mit ihm zu seinen Schürfrechnern – sie stehen außerhalb Teherans. Er erklärt uns, dass die Menschen im Iran in ihrer größten wirtschaftlichen Not plötzlich die Rettung in Bitcoins sahen.
Hochriskant ist es, wenn wir die genaue Adresse zeigen würden, an der seine Rechner stehen. Auf dem Weg dorthin fahren wir an Ashura-Prozessionen vorbei: Im Iran finden gerade die wichtigsten schiitischen Trauertage statt. Man gedenkt dem Märtyrer Hossein. Ein Land schwankt zwischen Tradition und Moderne. Die Geistlichkeit tut sich schwer mit der Moderne mitzukommen: es gibt Fatwas gegen Bitcoins, die den Handel damit verbieten sollen.
Die Computerfarm
Wir sind angekommen, folgen Ramtin:, der Lärm der Rechner ist nicht zu überhören. Hier testet Ramtin neue Wege aus, um Bitcoins zu generieren, denn Probleme gibt es genug. Doch seit die Behörden ihnen jetzt einen Strich durch die Rechnung machen, ist der Profit mit der Gefahr einer Verhaftung verbunden. Ramtin hofft darauf, dass die Regierung endlich Gesetze für das Mining schafft.
Dabei könnte man über diese alternative, vom Weltmarkt unabhängige Währung viel bewirken. meint Hamed Salehi. Er möchte auf dieser Pressekonferenz für die Flutopfer im Iran, die seit der Jahrhundertüberschwemmung Anfang des Jahres immer noch ohne ein Dach über dem Kopf leben, Geld sammeln, über Bitcoin Spenden aus dem Ausland, denn der Bankenverkehr mit dem Iran ist sanktioniert. Bis heute haben sie fast einen Bitcoin zusammen, ein momentaner Wert von 8700 Euro – noch ein fast nur symbolischer Wert für die Tausenden von Flutopfern.
Zurück zu Ramtin. Er erzählt uns, dass er darauf hofft, dass in seinem Land endlich alles ein bisschen schneller geht. Aber mit der Ansage der Behörden den Strompreis zu erhöhen und noch immer keine Gesetze auf den Weg gebracht zu haben, geht ihm die Zeit aus.
Bis dahin hofft er darauf, dass seine Rechner, die er aus China bekommen hat, noch durchhalten. Denn lange machen sie es bei der hohen Rechnerleistung nicht mit. Und die neuen hängen noch im Zoll. Auch dafür gibt es noch keine Regelung im ehemaligen Paradies für Miner.
Autorin: Natalie Amiri, ARD Teheran
Stand: 15.09.2019 23:41 Uhr
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