So., 08.03.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Abu Dhabi: Falken als Leidenschaft
Sheeba ist sieben Jahre alt. Sie ist kraftvoll, aggressiv und hellwach. Wie alle guten Jäger ist auch sie ein Weibchen, die Falkenmänner haben es einfach nicht drauf. Tägliches Wiegen gehört dazu. Falkner Aqaab berechnet die Futtermenge aufs Gramm genau. Ein Bäuchlein wäre verheerend für Sheebas Performance.
Drei Kinder hat Aqaab, doch die müssen sich die Aufmerksamkeit des Vaters mit dem Lieblingsfalken teilen. 15.30 Uhr, Zeit für die Jagd. Aqaab al-Qahtani kommt von seinem Job in der Verwaltung immer direkt nach Hause. Und dann geht es ab in die Wüste.
Falknerei ist Tradition
Abu Dhabi ist das größte und reichste der sieben Vereinigten Arabischen Emirate. Hier gibt es riesige Ölvorkommen. Die Falknerei am Golf gilt weder als Sport noch als Hobby, sondern als Tradition. Bis Anfang der 1960er-Jahre waren die meisten Menschen bitterarm, man errichtete sein Zelt neben demjenigen, der einen Falken hatte. Von dessen Beute lebten oft mehrere Familien.
Sobald ein Falkner dem Greifvogel die Lederkappe von den Augen zieht, scannt er die Ebene auf Beutetiere. Der Wanderfalke ist das schnellste Tier der Welt. Mit bis zu 322 Stundenkilometern schießt er im Sturzflug auf seine Beute herab.
Tägliches Programm
"Ich bin heute hier, um meine beiden Lieblingsfalken zu trainieren. Es geht um die körperliche und geistige Fitness der Tiere. Sie müssen sich ständig bewegen und dürfen nicht träge werden. Sie müssen kraftvoll und mobil sein - und aufmerksam! Das ist ein tägliches Programm", erklärt Falkner Aqaab al-Qahtani. Wenn Aqaab "täglich" sagt, dann meint er das wörtlich. In der Jagdsaison von September bis März verbringen die Falkner mehr Zeit mit ihren Tieren als mit ihrer Familie.
Die Gesundheit ist das höchste ornithologische Gut: "Ich lasse meine Vögel regelmäßig untersuchen um sicherzustellen, dass sie keine Krankheiten haben, keine Pilze, keine Würmer. Und dass ihre Instinkte funktionieren. Das ist ein regelmäßiger Checkup, den ich jeden Monat machen lasse" sagt Aqaab al-Qahtani.
Tradition wird von Generation zu Generation weitergegeben
11.000 Tiere wurden im größten Falkenhospital der Welt im vergangenen Jahr auf Herz, Nieren und Federpracht geprüft. Hightech im OP-Saal, die deutsche Tierärztin Margit Müller ist der Leuchtturm des Falken-Wohlbefindens. Als Frau in einer Männergesellschaft - das war zunächst nicht so einfach. Doch nun wird sie von den Machos für ihr einzigartiges Vogelverständnis geliebt.
"Man sieht es schon, dass die Buben schon den ersten Falken haben, das heißt, es wird von Generation zu Generation weitergegeben. Und das wird letztendlich auch das Überleben und die Tradition der Falknerei hier in Abu Dhabi und in den Vereinigten Arabischen Emiraten sichern", erklärt Falkenärztin Margit Müller.
Augenhauben in allen Farben, aber immer in der gleichen Form: der des Falkenkopfes. Nichts ist den Falknern zu teuer, wenn es um ihre Tiere geht. Aus seiner Passion hat der clevere Aqaab ein nettes Zusatzgeschäft gemacht, denn in seinem Laden wie im ganzen Land boomt der Falken-Handel. Mit sieben oder acht Jahren bekommen die Nachwuchsfalkner ihren ersten Greifvogel.
Frauen sind bei Training und Wettkampf unerwünscht
15.30 Uhr am nächsten Tag. Diesmal sind gleich vierzig Falkner in der Wüste verabredet, Frauen unerwünscht. Ihr Wagenpark hat zusammen gut und gerne 120 Liter Hubraum. Es steht ein Wettkampf an. Reihum setzen die Männer Preise aus für den erfolgreichsten Falken – mehrere Tausend Euro winken als kleine Aufmerksamkeit. Wenn der Falke seine Beute schlägt, ist sein Besitzer mindestens so glücklich wie er selbst.
Abu Dhabi ist im Grunde immer noch eine Gesellschaft von Beduinen: "Als ich klein war, haben wir noch in der Wüste gelebt - unter einfachsten Bedingungen. Es war sehr, sehr hart, wir haben alle fast nur Datteln gegessen, wenn jemand ein Haustier hatte, war das schon etwas Besonderes; ein Kamel, ein Schaf, eine Kuh. Doch dann hat sich unser Lebensstandard nach und nach verbessert; bis zu dem Stand, den Abu Dhabi jetzt hat", erzählt Majid al-Qubaisi, Onkel von Aqaab.
Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Kairo
Stand: 08.03.2015 20:21 Uhr
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